Montag, 10. Januar 2011, 20:00

Kongresshaus Rosengarten

Linus Roth, Violine
José Gallardo, Klavier

 

Johannes Brahms

Sonate für Violine und Klavier Nr. 2 A-Dur op.100

 

Robert Schumann

Sonate für Violine und Klavier Nr. 2 d-Moll op.121

 

Johannes Brahms

Sonate für Violine und Klavier Nr. 3 d-Moll op.108

 

Karol Szymanowski

Nocturne et Tarantella op. 28

 
 
 

Vor drei Jahren waren die beiden Künstler noch als „Podium junger Künstler“ bei uns zu Gast. Am Besten zitiert man die örtliche Presse vom 24.10.2007 zu diesem Ereignis: „Virtuoser Rausch“ (NP) und „In blendender Technik und subtiler Gestaltung“ (CT). War damals ein Werk des Jubilars Edvard Grieg Bestandteil des Programms, erleben wir diesmal einen Nachklang zum Schumann-Jahr – auch in Form von Robert Schumanns biographischer Verknüpfung zu Johannes Brahms. Wie damals (Henri Wieniawski) klingt auch das jetzige Konzert mit einer teuflisch-virtuosen Steigerung aus. Die Stradivari von 1703 und ihr kompetenter Spieler werden‘s schon richten…

www.linusroth.com und www.gallardo.de

 

Neue Presse vom 12. Januar 2011

DER SEUFZENDE ATEM DER VIRTUOSITÄT
Linus Roth (Violine) und José Gallardo (Klavier) betören mit ihrem Duo-Spiel die Coburger Musikfreunde.  


VON BERND SCHELLHORN


Sicherlich liegt einer der Gründe, warum derart hochklassige Künstler immer wieder gerne bei Konzerten der „Gesellschaft der Musikfreunde Coburg“ auftreten, darin, dass „ihr“ Publikum die dargebrachte Kunst zu schätzen weiß. Das ist bei weitem nicht überall der Fall und es soll ja viele international bekannte Leute geben, die sich dem „Hype“ einer „Klassik-Echo“-Preisverleihung dadurch entziehen (selbst als Preisträger), dass sie sich solchen Veranstaltungen einfach entsagen: „Tut mir leid, ich bin indisponiert.“ Ich kann das gut verstehen, denn vor allem sucht der Künstler doch eine Bestätigung, weil er etwas Außergewöhnliches zustande zu bringen in der Lage ist. Er braucht dazu aber eine Umgebung, also Menschen, die dieses Können würdigen und verstehen, die mit Verstand am Transport des Kulturgutes teil nehmen, dieses ernst nehmen und fähig sind, ein Urteil zu fällen zwischen Kunst und Krempel. Und genau diese Menschen, dieses Publikum, findet jeder Künstler bei den „Musikfreunden“ vor und kommt gerne wieder hierher, wenn er eingeladen wird. Auch Linus Roth und José Gallardo konzertierten bereits im Jahr 2007 im Kongresshaus. Sie bilden ein kongeniales Duo, das sich nahezu „blind“ versteht und alle Tiefe und die Emotion ihrer musikalischen Gestaltung (welche über alle Technik erhaben ist) lebt aus diesem Vertrauen in die absolute Verlässlichkeit des Partners. In der interpretatorischen Gestik allerdings sind beide grundverschieden.

Linus Roth zeigt eine starke „Körperlichkeit“ beim Violinspiel, beugt sich tief, streckt sich über die Fußspitzen oder nimmt „straffe“, fast militärische Haltung an. Fast könnte man sagen, er tanzt sein Violinspiel, denn all die Bewegungen übertragen sich direkt in Klang, in die Beweglichkeit und Strecke des Bogens und in die Lage dessen auf den Saiten des Instrumentes. Das Resultat ist ein Panoptikum an Klängen (von fahl bis grell, ziselierend bis straff, sphärisch bis derb, eisig bis strahlend), das sich der musikalischen Struktur und Form auf den Punkt genau anpasst.

„Alla chitarra“ formt sich aus den pizzicati der dritte Satz der Schumann d-Moll Sonate, op. 121, kleidet sich dann in eine volkstümlich-nebelhafte Fahlheit, vollkommen überirdisch und entrückt, der Bogen scheint sich nicht zu bewegen. Dann plötzlich kündigt sich der Klang an. Erst kaum vernehmbar, kommt er näher, sucht sich im Raum, stützt sich in der Komposition auf die Doppelgriffe, ringt mit sich, atmet tief durch und legt sich plötzlich strahlend ins Licht. Und als dieses „Leise, einfach“ bezeichnete Sätzchen zu Ende geht, ist aus der schüchternen Schlichtheit der volkstümlichen Weise eine strahlende Diva geworden, die über den Teppich der kontrapunktischen Parlando-Strecken des Flügels schreitet. Wunderbare, geradezu märchenhaft-schöne Verwandlungen erleben wir Zuschauer mit in Klang und Stiltreue. Jedes Ritardando verlangsamt die Welt, jedes Ritenuto ringt um Atem und verzehrt sich in Seufzen, bevor es sich in Tonschwall und Virtuosität verzaubert.

José Gallardo gestaltet gleichwertig mit, sein Körper bleibt ruhig, alle pianistische Bewegung und Tongebung kommt aus den Fingern. Ab und an nur gestaltet er besonders intensive Klänge mit dem Gewicht des nach vorne gebeugten Oberkörpers oder formt dynamische Akzente über den Schulterschwung in das abrollende Handgelenk. Sein Klangspektrum ist des Partners ebenbürtig, es entsteht trotz aller Virtuosität nie ein Gefühl der Zurschaustellung blanker Technik, sondern stets ein makelloses, tiefes und bis in Nuancen durchdachtes Musizieren. Die Brahmssonaten verzehren sich in schwermütigem Aufbegehren und melancholischer Erwartung; Robert Schumann verliert sich im sündhaft-schönen Überschwang seiner melodischen Sonatenkomposition; Szymanowski zerreißt den mystischen Nebel der einleitenden Nocturne mit einer archaisch-phrygischen Tarantella, als Zugabe irrlichtert Bazzinis „Tanz der Kobolde“ virtuos durch alle Schattierungen der Violintechnik, atemberaubend, sinnbetörend. Ein spektakulärer Abend mit zwei hochbegabten Musikern, die sich in Coburg bei den „Musikfreunden“ bestens verstanden fühlen dürfen: Es gibt Bravorufe des begeisterten und zahlreich erschienenen Publikums.

 
 
 

Coburger Tageblatt vom 12. Januar 2011

HEXENKÜNSTE UND PRÄZISE LEIDENSCHAFT
Der Geiger Linus Roth und der Pianist José Gallardo begeisterten bei ihrem Coburg-Gastspiel. 


VON GERHARD DEUTSCHMANN

Ein Konzert der Extraklasse bescherte die „Gesellschaft der Musikfreunde“ ihren Mitgliedern und Gästen mit dem (nach drei Jahren) abermaligen Auftritt zweier inzwischen weltweit konzertierender Künstler, dem Geiger Linus Roth und dem argentinischen Pianisten José Gallardo. 

Mit einem meisterhaft dargebotenen Programm („Brahms trifft Schumann“) begeisterten sie das zahlreich erschienene Coburger Publikum. Wahre Begeisterungsstürme ernteten sie zudem mit dem letzten Stück, dem „Nocturne et Tarantella“ von Szymanowski und zwei hochvirtuosen Zugaben von Bazzini und Brahms. 

Es begann mit der 2. Sonate für Violine und Klavier A-Dur op. 100 von Johannes Brahms, einem vornehmlich lyrisch und idyllisch angelegten Werk. Linus Roth auf seiner klangvollen Stradivari kostete die schwelgerische Melodik der drei Sätze mit edlem, flexiblem Ton voll aus. Makellose Finger- wie Bogentechnik und leidenschaftlich beseelte, minutiöse Gestaltung ergänzten sich zu abgerundeter, höchst beeindruckender Wiedergabe. Bewundernswert war auch die Gedächtnisleistung des Ausnahmegeigers, der das gesamte anspruchsvolle Programm dieses Abends auswendig spielte. Als idealer Mitgestalter am Flügel bewährte sich José Gallardo, der neben unfehlbarer Technik sensible Anschlagskultur zeigte und stets in bestem Einvernehmen mit dem Violinisten stand. Durch die bei Brahms wie Schumann ständige Gleichberechtigung des Klavierparts war es richtig, den Flügeldeckel ganz zu öffnen. Die abwechselnde Führung der Instrumente wurde durch den differenzierten Anschlag des Pianisten deutlich gemacht.

Ein dramatisches Meisterwerk gelang Robert Schumann mit seiner 2. Sonate d-Moll
op.121, diemit schroffen Akkorden beginnt, denen der schwärmerischeHauptsatz folgt. „Sehr lebhaft“ schließt sich das energische Scherzo mit seinem lyrischen Intermezzo an. Nach dem schlichten, volksliedhaften langsamen Satz krönt das virtuose, wild aufbegehrende, aber in optimistischer Dur-Stimmung endende Finale das wirkungsvolleWerk, das die beiden Künstler mit intensiver Gestaltung und temperamentvollem Schwung wie aus einem Guss interpretierten. 

Beifall und Bravorufe

Einen weiteren Höhepunkt erlebte man nach der Pausemit der ernsten, mehr düsteren 3. Sonate d-Moll op.108 von Brahms, die Linus Roth mit Hingabe, intensiver Tongebung, aber ebenso verinnerlichtem Ausdruck auf seinem edlen Instrument zelebrierte, stets unterstützt von dem überlegen und konzentriert mitgestaltenden Pianisten José Gallardo.

Zum Abschluss ging es in Richtung Impressionismus mit dem Virtuosenstück „Nocturne et Tarantella“ op.28 des Polen Karol Szymanowski, das mit fahlen Sordino-Quinten der Violine beginnt und dann in eine wilde Jagd mit allen möglichen geigerischen Effekten, aber auch ausdrucksvollen Kantilenen mündet.

Die glänzende, spektakuläre Wiedergabe durch Linus Roth wurde mit frenetischem Beifall und Bravorufen bedacht, die sich bei den zwei Zugaben noch steigerten: „La ronde des lutins“ (Tanz der Kobolde) von Antonio Bazzini mit allen Hexenkünsten der Geigentechnik und einem „Ungarischen Tanz“ von Brahms, mit dem sich der Kreiszum Anfang schloss.