Montag, 15. November 2010, 20:00 Uhr

Kongresshaus Rosengarten

Kodály Quartett, Budapest

Attila Falvay, Violine
Erika Tóth, Violine
János Fejévári, Viola
György Éder, Violoncello

 

Zoltán Kodály

Streichquartett Nr.2 op.10

 

Robert Schumann

Streichquartett Nr.1 a-Moll op.41

 

Béla Bartók

Streichquartett Nr.5 Sz 102

 
 
 

Das Kodály Quartett gehört in unserer schnelllebigen Zeit fast schon zu den Legenden der Kammermusik: Gegründet im Jahr 1966 an der Musikakademie Ferenc Liszt in Budapest, wurde das Quartett auf Grund seiner Ausnahmestellung vom ungarischen Ministerium für Kultur und Bildung nach dem bedeutenden ungarischen Komponisten Zoltán Kodály benannt. Die authentische Interpretation der Werke Kodálys gehört natürlich zu den wichtigsten Zielsetzungen des Ensembles (siehe Programm oben). Die Besetzung hat im Lauf der Jahre nach und nach gewechselt, die Qualität ist geblieben. Müßig wäre es, die internationalen Aktivitäten und Auszeichnungen von Jahrzehnten aufzuzählen. Im Rahmen des deutsch-ungarischen Kulturaustausches gastiert das Quartett nach langer Zeit wieder in Deutschland.

www.kodalyquartet.com

 
 
 

Neue Presse vom 17. November 2010

DIE QUINTESSENZ DER REINHEIT
Das Kodály Quartett legt im Coburger Kongresshaus die feinsinnige Präzision in den Werken von Kodály, Schumann und Bartók dar und zeigt, dass sich der Wert der Technik in der Eleganz findet
. 

VON BERND SCHELLHORN

Noch bevor die Musik des frühen 20. Jahrhunderts begann, ihre letzte Freiheit im Jazz zu suchen, die Intelligenzia nach dem ersten Weltkrieg den Weg in den europäischen Süden fand und dort in banger Angst und gleichzeitig großer Kreativität Meer und Licht genoss, sammelten Zoltán Kodály und Béla Bartók in Ungarn und in den angrenzenden Regionen Volkslieder. Ganz anders als in den Kunstmetropolen – vor allem Paris – , wo man dem Ballett und den Expressionisten huldigte, die Fläche als Form anerkannte in Malerei und Bühnenbild, versuchten die beiden ungarischen Musikwissenschaftler, das Volkslied für das Volk zu retten. Als liebevoll-kleine, autochthone Kunstform, die sich als wahrer Gedankenschatz ehemaliger Generationen ebenso entpuppte wie als Wundertüte für ihre zukünftige Kompositionstechnik. Wie Zellbausteine sezierten, reduzierten und dechiffrierten Kodály und Bartók dieses Volksgut und setzten es dann in spektakulär neuer Weise zusammen.

Es klingt atemberaubend kapriziös, elegant unrhythmisch, freitonal melodiös und unglaublich, geradezu unvorstellbar komplex, wie faszinierend gekonnt diese Bausteine zu Streichquartetten konzipiert wurden. Freilich wird man diese selten authentischer zu Gehör bekommen als vom Kodály Quartett wiedergegeben und an dieses Konzert der Musikfreunde im Coburger Kongresshaus wird man sich noch lange erinnern.

Attila Falvey und ErikaTóth (Violine) János Fejévári (Viola) und György Èder (Violoncello) finden sich in makellos elegantem und unaufdringlich reizvollem Zusammenspiel. Ihr Klang ist enervierend ohne jeden stilfernen Ausbruch, die Dynamik vermeidet das Überbordende. Ihre Technik und Intonation ist atemberaubend. Es bleibt die Quintessenz der Reinheit, der musikalischen Struktur. Sie sind die niveauvollen Musikanten, die mit großer Musizierfreude die großen Meister in unsere Gemüter transportieren: Flirrendes Licht, dann die Spröde vor der erwarteten Annäherung, die Spannung vor der Hingabe, der gemeinsame Atem nach der Lust, das Stillhalten, Sich-Sammeln vor dem nächsten Aufschwung. Es ist dieses Eros, dieses Erzählen in reiner Struktur, das uns berührt. Die Musiker finden in klaren Worten den Zugang in eine abenteuerlich vertrackte Geschichte, die uns auf völlig neue Weise von den Gebräuchen vergangener Zeit berichtet.

Die Glissandi rutschen sich wie im Tanz in Position, die Martellati schlagen den Takt, der Klang am Steg wie die Unnahbare, die es zu erobern gilt und dann setzt sich das Kantilene als verführerischer Gesang in die Ohren: „Komm“, haucht es, „Du bist hübsch und die Nacht will nicht schlafen gehen“.

Vielleicht könnte man schlicht sagen, die vier Musiker spielen absolut authentisch: Den Robert Schumann als jungverliebten Helden mit dem scharfen Blick des Visionärs; Zoltán Kodály als den Fadenknüpfer des Volkslieds in die Sonatensatzform; Béla Bartók als den fabelhaften Schrittmacher der zukünftigen Volkstänze.

Und ebenso visionär wie die Kompositionen dieser drei Wundertäter ist die musikalische Umsetzung durch das Kodály Quartett: Es klingt genau so, wie es klingen muss. Es ist alles auf den Punkt, es trifft den Nerv. Es lebt. Es ist sehr kompliziert, klingt ultramodern: Aber es lebt. Es denkt nach, es hält inne, es geht nach vorne. Es atmet tief durch und beginnt zu sprechen. Es erwartet die Antwort, dann erklärt es mit Hand und Fuß, dass es allein nicht geht. Dann spöttelt es, weil es locken will. Dann streichelt es durchs Haar, umarmt und wiegt sich gemeinsam im Tanz. Und es klappt, obwohl es noch nie so getan wurde. Es war wundervoll, es war eine Erfüllung. Es war das Kodály Quartett. Wir gaben starken Beifall und erlebten gemeinsam einen Riesenschritt nach vorne. Kaum zu glauben, dass die Zukunft der Musik schon so lange anhält.

 
 
 

Coburger Tageblatt vom 17. November 2010

DIE HOHE SCHULE DER KAMMERMUSIK
Das Kodály Quartett Budapest gastierte mit Werken von Zoltán Kodály, Robert Schumann und Béla Bartók erstmals bei den Coburger Musikfreunden im Kongresshaus. 

VON GERHARD DEUTSCHMANN

Zu den traditionsreichsten Streichquartetten Europas gehört das bereits 1966 gegründete Kodály Quartett. 1982 gastierte es erstmalig bei der Gesellschaft der Musikfreunde in Coburg. Seitdem hat sich die Besetzung in zwei Positionen geändert; geblieben ist jedoch die Qualität des Ensembles, wie die authentische Wiedergabe von wichtigen Werken der ungarischen Nationalkomponisten Kodály und Bartók, aber auch des Erzromantikers Robert Schumann zeigte.

Mit Attila Falvay, Erika Tóth (Violinen), János Fejévári (Viola) und György Éder (Violoncello) erlebten die zahlreichen Besucher einen hochkarätigen Kammermusikabend, der mit reichem Beifall bedacht wurde.

Mit einem Halbtonmotiv als musikalische Keimzelle beginnt das Streichquartett Nr. 2 op. 10 von Zoltán Kodály. Bereits in dem sich spannungsreich entwickelnden Kopfsatz beeindruckten die absolut gleichwertigen Künstler durch homogenes Zusammenspiel und reife Gestaltung. Ausdrucksvoll erklang das harmonisch dicht und rhythmisch frei gestaltete Andante, dem sich ohne Pause das tänzerische, spielfreudige Allegro giocoso mit seinen folkloristischen Anklängen anschloss. Mit dieser eindrucksvollen Interpretation machte das Quartett seinem Namensgeber alle Ehre.

Dem 200. Geburtstag von Robert Schumann wurde anschließend mit dessen Streichquartett Nr. 1 a-Moll op. 41 gehuldigt. Mit differenzierter Tongebung hörte man die imitationsreiche Introduktion vor dem schwungvollen Allegro, das wie aus einem Guss musiziert wurde. Ein Kabinettstückchen bildete das spritzige Scherzo mit seinem lyrischen Intermezzo, welches in seinem dahin huschenden Charakter an den Widmungsträger des Werks, Mendelssohn, erinnerte. Höchst expressiv gestalteten die „Kodálys“ das folgende Adagio mit seiner verschlungenen Stimmführung, bevor sie das musikantische, thematisch volkstümliche Presto temperamentvoll und virtuos angingen.

Die im Zeitraum von rund 30 Jahren komponierten sechs Streichquartette von Béla Bartók zeigen recht gut die stilistische Entwicklung des bedeutendsten ungarischen Komponisten aus der 1. Hälfte des 20. Jahrhunderts. Das vorletzte Quartett, 1935 in New York uraufgeführt, zeigt in seinen fünf Sätzen den reifen Spätstil des Tonschöpfers mit zunehmender Verdichtung der thematischen Arbeit und einer kompromisslosen Harmonik, die auch vor grellen Dissonanzen nicht zurückschreckt.

Polytonalität (2. Satz), bulgarische Rhythmen (Scherzo), klangliche Experimente mit Pizzikati, Glissandi und Springbogen (4. Satz) wie turbulente polyphone Verflechtungen im rasanten Finale machen eine gelungene Wiedergabe dieses Werks zu einer höchst anspruchsvollen Aufgabe. Mit überlegenem Können und reifer Gestaltungskunst wurde das Kodály Quartett der meisterlichen Komposition in höchstem Maße gerecht und wurde lebhaft gefeiert. Für den Beifall bedankte man sich mit zwei „versöhnlichen“ Zugaben, dem langsamen Satz aus dem „Reiterquartett“ von Joseph Haydn und einem gemütvollen Ländler von Franz Schubert.