Montag, 9. Mai 2011, 20:00

Foyer der HUK-Coburg

Willi-Hussong-Str. 2, Bertelsdorfer Höhe

Piano spezial in der HUK

Chopin Zyklus: „Epilog“

Ewa Kupiec, Klavier

 

Frédéric Chopin

Berceuse Des-Dur op.57

 
 

Sonate h-Moll op.58

 
 

Zwei Nocturnes op.62

 
 

Drei Mazurkas op.59

 
 

Barcarolle Fis-Dur op.60

 
 

Polonaise Fantasie As-Dur op.61

 
 
 

Fast auf den Tag genau vor 2 Jahren spielte Ewa Kupiec zum ersten mal bei „Piano spezial in der HUK“. Vorausgegangen waren seit 1995 zahlreiche Auftritte der Künstlerin – sie ist inzwischen ja auch Ehrenmitglied der Musikfreunde – im Kongresshaus Rosengarten. Damals eröffnete sie ihren Chopin Zyklus mit Werken aus der fruchtbarsten Schaffenszeit des Künstlers. Diesmal stehen Stücke aus den letzten fünf Lebensjahren des Komponisten auf dem Programm, Werke souveräner Meisterschaft und Verdichtung des Ausdrucks. Lassen Sie sich diesen Abend nicht entgehen!

Eintritt für Mitglieder 12 €, Gäste 19 €
Schüler/Studenten frei

 

Coburger Tageblatt vom 12. Mai  2011

POETISCHER TASTENZAUBER MIT EWA KUPIEC
Das Ehrenmitglied der „Gesellschaft der Musikfreunde“ begeisterte mit letzten Klavierwerken von Frédéric Chopin.

VON GERHARD DEUTSCHMANN

Die Coburger Reihe „Piano spezial“ in der HUK brachte ein Wiedersehen mit der immer wieder gern gehörten Pianistin Ewa Kupiec, die den dritten und letzten Teil ihres vor Jahren begonnenen Chopin- Zyklus’ unter dem Motto „Epilog“ darbot. Es handelte sich dabei um die letzten bedeutenden Klavierwerke des Meisters aus den Jahren 1844 bis 1846 mit den Opuszahlen 57 bis 62.

Trotz offensichtlicher gesundheitlicher Probleme war es der Pianistin hoch anzurechnen, dass sie das Konzert nicht ausfallen ließ. Im Gegenteil: Sie bewältigte das immense, anspruchsvolle Programm mit gewohnter Bravour und beeindruckte abermals mit verinnerlichter Gestaltung, hoher Anschlagskultur, dynamisch-agogischer Feinsinnigkeit und frappanter Virtuosität, was stets begeisterten Beifall hervorrief.

Der Abend begann mit den reifen, späten zwei Nocturnes op. 52 in H- und E-Dur, die sich durch stark verdichteten Ausdruck und expressive Harmonik auszeichnen, wobei – wie bei Chopin üblich – das melodische Element nie vernachlässigt wird. Intensiv spürte Ewa Kupiec den harmonischen wie melodischen Feinheiten nach und bot eindrucksvolle Interpretationen dieser fast meditativ zu nennenden Stücke. In den folgenden drei Mazurken op.59 war es besonders die feinsinnige Dynamik und Agogik, womit die Pianistin aus den delikaten Miniaturen kleine Kunstwerke werden ließ. Nach den mehr nachdenklichen Mazurken in a-Moll und As-Dur, bot die rasche dritte in fis-Moll einen temperamentvollen Abschluss.

Anhaltender ApplausFast schon impressionistisch gibt sich die über schaukelnden Bassbewegungen aufgebaute Barcarolle Fis-Dur op. 60 mit weit ausschwingender Terzenmelodie und großen Steigerungen, die von Ewa Kupiec mit großem Atem und delikater Anschlagskultur dargeboten wurde. Die letzte „große“ Klavierkomposition Chopins erklang zum Abschluss des ersten Teils in Gestalt der Polonaise-Fantaisie As-Dur op. 61, ein formal wie harmonisch eigenwilliges, ja experimentelles Werk, meist verhalten, aber auch mit virtuosen Steigerungen, überlegen und dicht von der Pianistin dargeboten.

Nochmals hohe Anschlagskunst erforderte nach der Pause die Berceuse Des-Dur op. 57 mit ihren 16 filigranen Variationen über einem Bass-Ostinato. Hier kam wieder die Klangzauberin Kupiec zum Vorschein. Das zierliche Werk wirkte wie ein Atemholen vor dem letzten großen Kraftakt, welcher aus der gewichtigen 3. Sonate h-Moll op. 58 bestand. Hier vereint sich alles, was die Kunst Chopins ausmacht: Energischer Zugriff, begnadete Melodik, technische Brillanz und Verträumtheit.

Ewa Kupiec gestaltete das Werk wie aus einem Guss vom energischen Beginn bis zum technischen Feuerwerk des hochvirtuosen Finales, was begeisterten Beifall hervorrief. Dafür, dass sie wegen der angegriffenen Gesundheit keine Zugabe geben konnte, hatten die Zuhörer Verständnis und dankten mit anhaltendem Applaus.

 
 
 

Neue Presse vom 12. Mai 2011

DAS VIRTUOSE LEBEN DER SEELE
Die späten Werke Frederic Chopins verlassen die gewohnten Strukturen und sind pianistische Kraftakte. Im „Epilog“ ihres Chopin-Zyklus brilliert Ewa Kupiec in Coburg mit Virtuosität. 


VON BERND SCHELLHORN

Bisweilen klingt es in den späten Werken von Chopin so, als ob die Themen kurz nach draußen gegangen wären, um vor der Tür eine Zigarette zu rauchen, während im Konzertsaal die Harmonien ein ungezügeltes Eigenleben führen. Diese ändern sich, formen sich in chromatischer Modulation ständig neu und haben es einfach satt, der ordnenden Funktion zu unterstehen. Sie spielen Chamäleon und ändern lässig ihre Farben, bis endlich das Thema wieder erscheint und sie zur Ordnung ruft. Dann tritt dessen glutvolle Seele in Erscheinung, singt sich aus dem Flügel und bei all seiner Virtuosität übersieht man den letzten blauen Rauch, der sich mit dem göttlichen Atem der wunderbaren Melodik mischt.


Klingt das nicht oft wie Jazz, fragt man sich und seine Ohren. Diese freien, fast improvisativ-virtuosen Läufe, diese Abgänge über Non-Sept-Tritonus, ist das wirklich mittleres neunzehntes Jahrhundert? Ist das Chopin? Wer kann diese Kaskaden bändigen, diese kompositorischen Kraftakte?


Ewa Kupiec kann dies. Selbst wenn sie nicht ganz gesund ist, wie sie nach dem Konzert im Coburger HUK-Foyer verrät, bewältigt sie den Kraftakt des Chopin’schen Spätwerks mit atemberaubender pianistischer Virtuosität, stilistischer Feinheit und Akkuratesse. Sie ist der Beweis dafür, dass es sich lohnt, für Chopin zu leben und dessen melodische Sphären und harmonische Kunststücke im Konzertsaal zu feiern.

Die Pianistin beginnt mit den „Nocturnes op. 62“, die sie mit gläsern gespielten Kantilenen in einen wundersamen Teppich von Hall-Pedal einhüllt, was diesen einen fast unwirklich anmutenden Klang gibt. Es ist eine gewisse Weltabgewandtheit in diesen filigranen Kompositionen zu vernehmen, die sich besonders dann offenbart, wenn das Tempo nicht (zu romantisch und mit Rubato versehen) auseinanderfällt, sondern – wie in der Interpretation von Ewa Kupiec – still atmet und dadurch seinen Fluss bewahrt.

„Dritte Hand“

In den folgenden „Mazurkas op. 59“ hört man Chopins tiefe Leidenschaft für Johann Sebastian Bach und dessen Kontrapunktik. Zum Einspielen wählte Chopin das „Wohltemperierte Klavier“, wobei er sich jeden Tag einen der beiden Bände ganz vornahm. Ewa Kupiec findet die kunstvollen kleinen Motive folkloristischer Gestalt, die sich in- und miteinander verweben und die – vor allem in der fis-Moll-Mazurka – wiederum sehr jazzig anmutenden „Turn-Arounds“ gleichen. 

Dieses Spiel mit den Motiven setzt sich auch in der „Barcarole op.60“ fort. Hier hält die Pianistin links sehr strikt den Rhythmus und lässt über das Auskosten der Kontrapunktik teilweise den Eindruck entstehen, als spiele sie mit einer dritten Hand. 

Die Extreme braucht die „Polonaise-Fantasie op.61“, hier fordert Ewa Kupiec sich und den Flügel bis an die Grenzen. Neben überirdisch-leise, aus der Tastatur gezogene Pianissimi stellt sich kontrastierend ein Gewitter aus Fortissimo-Klängen. Aber trotz der voll ausgekosteten Dynamik findet die Interpretin stets die Stringenz und innere Struktur und bezirzt das Publikum, sich in der Schönheit der Melodik zu verlieren. Ewa Kupiecs vollkommen der reifen Interpretation untergeordnete Technik, ihre unerschöpflichen Klangnuancen, ihr feines Atmen innerhalb der virtuosen Strecken und ihr diffiziler Pedalgebrauch (der stets „Raum“ oder Sphäre schafft) machen selbst einen Kraftakt wie die große „h-Moll Sonate“ zu einem Ohrenschmaus erster Güte. Kein Klang fällt aus dem Rahmen, jedes kleinste Motiv steht am Platz und winkt uns aus der Masse der Harmonik zu. Wir schenken ihm ein Lächeln und lehnen uns wohlig zurück. 

Ein großer Abend mit der besten konzertierenden Chopin-Interpretin findet seinen „Epilog“. Wir zahlreichen „Fans“ geben ergriffen Beifall.