Wider Erwarten gewann der damals elfjährige Kölner Michael Korstick nach nur zwei Jahren Klavierunterricht den ersten Preis bei „Jugend musiziert“. Doch statt einer Wunderkindkarriere erfolgten unermüdliche Studien, ab 1976 in den USA. Schon seine Mitstudenten an der New Yorker Juilliard School nannten ihn „Dr. Beethoven“. Aber erst jenseits der Vierzig entschloss er sich zum Einspielen einer CD, der noch viele Aufnahmen folgen sollten. Sein Repertoire ist unglaublich weit gefächert: es umfasst allein 110 (!) Klavierkonzerte. Erst vor knapp 10 Jahren rückte der introvertierte Musiker ins Rampenlicht und ins Bewusstsein eines breiten Publikums. Vorausgegangen war seine bahnbrechende Veröffentlichung von Beethovens „Hammerklaviersonate“ op.106. Er hat inzwischen sämtliche Sonaten Beethovens eingespielt und empfiehlt sich daher als idealer Mitgestalter unseres Beethoven Projekts. Die Sonate op.90 war bei uns in 100 Jahren insgesamt 3x zu hören (1991, 2004, 2005), die Waldstein Sonate 4x – erstmals im Januar 1933 durch Edwin Fischer. www.michaelkorstick.de Freier Eintritt für Mitglieder, Schüler und Studenten. Gäste € 25. |
Neue Presse vom 24. April 2013
FEUERTANZ AUF GLÜHENDEN TASTEN Der Pianist Michael Korstick fasziniert mit berückender Transparenz und Virtuosität. Die Coburger Musikfreunde sind begeistert.
VON PETER MÜLLER
Bereits beim ersten Anschlag Michael Korsicks auf dem großen Steinway-Flügel im Foyer der HUK Coburg war am Montagabend klar, warum der Solist weltweit so gefragt und beliebt ist und was der Besucher des Klavierabends zu erwarten hatte: Nämlich einen sich gegenüber seiner Kunst respektvoll zurücknehmenden Künstler und ein lupenreines, durchsichtiges, erfrischend helles und reines Glasperlenspiel der ausgesuchtesten Werke der Musikliteratur. Eine enorme Fingerfertigkeit , mit zartestem Superpianissimo, das den Atem stocken ließ, und einer Dynamik, die in allen Schattierungen präzise und glockenklar bis ins mächtigste Fortissimo nicht nur den Flügel nahezu zum Zerbersten bringen konnte.
Frisch, durchsichtig und lebendig führte Michael Korstick mit der schlanken lieblichen, empfindsamen und volksliedhaften Sonate e-Moll op. 90 von Ludwig van Beethoven in den Abend ein. Zartester Anschlag vermittelte die innigen Gefühle, die vom ersten kleinen Satz auf den zweiten, liedhaft „singbaren“, übergreifen. In einem schönen runden Bogen erklingt dieser luftig und heiter, am Ende mit demütiger Geste wie eine Aufforderung zum Tanz, über der letztlich kleine Glöckchen das zufrieden-glückliche Thema schwebend umspielen.
Gleiche Präzision und Transparenz herrschte im höchst dynamischen und ausgelassenen Allegro con brio der Sonate C-Dur op. 53, der so genannten „Waldstein-Sonate“, von Ludwig van Beethoven. Im Introduzione: Adagio Molto glänzte der Pianist mit seiner sensiblen Spielkultur und einem aufstrebenden, zunächst nachdenklichen, dann fest schreitenden Thema, das als Allegretto moderato wie ein Bächlein in das Rondo hinüberfließt. Das Rinnsal schwillt schnell an und strömt über blanken Stromschnellen zusammen. Lieblich, weich und ruhig kehrt die Liedmelodie zurück. Fest und energisch geht das erste schreitende Motiv dazwischen, bis sich die widerstreitenden Themen dialektisch und kraftvoll vereinen. Aus diesem neuen Anfang aber erwächst ein weiteres wildes Spiel, mit dem die Sonate gewaltsam endet.
Mit filigraner Zartheit und lichten Strahlen im melancholischen Felsendom wechselte Michael Korstick die aufgewühlten Gefühle und präsentierte sehr meditativ „Danseuse de Delphes“ als Eingangsorakel der „5 Préludes“ von Claude Débussy. Flüchtig wie Blütenstaub huschte „Voiles“ vorüber. Im swingenden Blues-Rhythmus begegnet der Hörer dem exzentrischen „Général Lavine“ auf einem Boulevard, rund herum pulsiert das Leben und lässt alles im Tanz enden. Zunächst muten die Klangimpressionen von „La cathédrale engloise“ exotisch an, bis ein großes und vielfältiges Glockenläuten mächtig erklingt und einen Choral nachhaltig mitschwingen lässt. Das letzte Prélude, „Minstrels“, haut lustig auf die Tasten und erfreut mit clownesken, tölpelhaft stolpernden Charakteren, bis sie langsam zur Ruhe kommen. Fünf kleine Impressionen, die erneut die feinfühlige dynamische Ausdruckskunst des Solisten beeindruckend herausstellten.
Michael Korstick beendete seine eindrucksvolle Vorstellung mit den hinreißenden „Bildern einer Ausstellung“ von Modest Mussorgski. Alle Superlative perfekten Klavierspiels kamen hier noch einmal zusammen und vereinten sich zu einem Brillantfeuerwerk zarter und gewaltiger Gefühle, zusammengehalten von der immer anwesenden „Promenade“ als festem Halt im Wechsel der Bildinhalte. Mit dem abschließenden „Großen Tor von Kiew“ erreichte der Tastenaufschlag die Klanggewalt von Jericho und Troja zusammen. – Mit diesem direkten Körperkontakt mit dem Klaviervolumen löste sich die Spannung, die diese mächtig gewaltige Musik aufbaut, und der riesige Applaus wirkte befreiend für das faszinierte Auditorium. – Der Künstler streichelte mit zwei weiteren „Préludes“ von Debussy sein heiß gerittenes Tastenross, um es mit dem abschließenden „Feuertanz“ von Manuel de Falla noch einmal zur Höchstleistung zu treiben. Die Zuhörer waren glücklich und wie aus dem Häuschen vor Begeisterung; Solist und Flügel waren am Leben. |
Coburger Tageblatt vom 24. April 2013
EIN ÜBERLEGENER VIRTUOSE SPIELTE BEETHOVEN Michael Korstick mit Brillanz und subtilem Anschlag
VON GERHARD DEUTSCHMANN
Wieder einmal zogen die Musikfreunde ins HUK-Gebäude, wo ein prächtiger Steinway-Flügel auf die Koryphäen der Tastenkunstwartet und dem es sicher gut tut, wenn er ab und zu gründlich gefordert wird. So geschehen am Montag bei der Reihe „Piano Spezial in der HUK“ mit dem international bekannten Pianisten Michael Korstick, der das ehrgeizige Beethoven-Projekt der Musikfreunde mit zwei weiteren Sonaten fortführte und zudem noch anspruchsvolle Werke von Debussy und Mussorgski im Programm hatte. Auch da zeigte er sich als überlegener Virtuose und subtiler Anschlagskünstler. Korstick begann mit der Sonate e-Moll op. 90 von Beethoven, die am Ende seiner mittleren Schaffensperiode entstand undmit ihrer Zweisätzigkeit den später immer freizügigeren Umgang Beethovens mit der klassischen Sonatenform demonstriert. Stupende Fingerfertigkeit, geschliffenes Laufwerk und eine reiche Palette von dynamischen Nuancen prägten die Wiedergabe dieses im ersten Satz leicht elegischen, im zweiten liedhaften, nach Dur aufgehellten Werks. Praktisch auch nur aus zwei Sätzen, die mit einer „Introduzione“ miteinander verbunden sind, besteht die bekannte „Waldstein“-Sonate C-Dur op. 53, die Korstick energiegeladen in atemberaubendem Tempo anging, das hörbar an die Grenze des Möglichen ging. Nach dem „versunken“ gespielten Adagio molto der Überleitung beeindruckte die flüssige Wiedergabe des zart beginnenden, dann grandios gesteigerten Rondos, das der Pianist mit einer brillanten Stretta beendete.
Kein Wunder, dass bei einem Anschlagskünstler wie Korstick die Werke des Impressionisten Claude Debussy eine bevorzugte Rolle spielen. Gerade hat er dessen Préludes auf CD eingespielt, von denen er fünf auf dem Programm hatte. Als wahrer Klangzauberer ließ er die Elfen tanzen, nebelhafte Schleierwallen, skurrile Jazzanklänge in „Général Lavine – excentric“ ertönen, die aus dem Nebel auftauchende Kathedrale machtvoll erstehen und dann wieder verhüllen, bis schließlich quirlige Clowns einen witzigen Abschluss boten. Bei russischen Pianisten hat Michael Korstick seine Ausbildung beendet. So war es nicht verwunderlich, dass nach der Pause ein russisches Werk in Gestalt der berühmten „Bilder einer Ausstellung“ von Modest Mussorgski auf dem Programm stand. Diese originellen zehn durch „Promenaden“ verbundenen Stücke sind häufiger in der gelungenen Instrumentation von Ravel zu hören als in der originalen Klavierfassung, weil die Pianisten die technischen Tücken vieler Sätze scheuen. So ist beispielsweise die Nr. 9 („Die Hütte auf Hühnerfüßen“) kaum ohne „Verluste“ zumeistern. Michael Korstick schlug sich tapfer und erfolgreich durch die vielen Klippen des Werks und konnte sich nach dem monumental dargebotenen „Das große Tor von Kiew“ über reichen Beifall freuen. Er dankte mit zwei weiteren Préludes von Debussy und demfulminant gespielten „Feuertanz“ von de Falla. |