Montag, 16. Oktober 2006
Kammermusik aus Frankreich
Quatuor Danel
Marc Danel, Violine
Gilles Millet, Violine
Vlad Bogdanas, Viola
Guy Danel, Violoncello

Edouard Lalo
Streichquartett Es-Dur op.45
Claude Debussy
Streichquartett g-Moll op.10
César Franck
Streichquartett D-Dur op.9
Wahrscheinlich erinnern sich nur wenige Musikfreunde an einen Auftritt von Künstlern aus dem französischen Raum. Das Quatuor Danel wurde 1991 von vier französischen Musikern in Brüssel gegründet. An der Ausbildung des Ensembles waren neben dem Amadeus Quartett auch Mitglieder des Borodin Quartetts und des La Salle Quartetts beteiligt. Vielfältig sind die Aktivitäten des Quatuor Danel: neben den „normalen“ Konzertauftritten engagieren sich die Musiker für interdiziplinäre Projekte oder organisieren jährlich Kammermusikkurse mit Auftritten in abgelegenen Bauerndörfern. Die Musiker sind „Quartet in Residence“ an der Universität Manchester und bei den Festspielen im finnischen Kuhmo. Schwerpunkt ist in diesem Jahr die Aufführung sämtlicher Streichquartette von Dmitrij Schostakowitsch. Auch die Programmauswahl für das Coburger Konzert liegt abseits ausgetretener Pfade.
Mehr auch unter www.quatuordanel.com
Coburger Tageblatt vom Mittwoch, 18.10.2006
FRANZÖSISCHE KLANGZAUBERER
Das Quatuor Danel beeindruckte bei den Coburger Musikfreunden im Kongresshaus
VON GERHARD DEUTSCHMANN
1991 von vier französischen Musikern in Brüssel gegründet, gehört das Quatuor Danel trotz weltweiter Aktivitäten hierzulande nicht zu den bekannten Ensembles seiner Gattung. Dabei erwiesen sich Marc Danel und Gilles Millet (Violinen), Vlad Bogdanas (Viola) und Guy Danel als exzellente Musiker von überragendem technischen Können sowie feinsinniger, flexibler Gestaltung. Außergewöhnlich war auch das Programm des Konzertes der Musikfreunde Coburg am Montag im Kongresshaus, welches aus drei im Abstand von nur neun Jahren komponierten Unikaten ausschließlich französischer Komponisten bestand. Lediglich das Streichquartett von Debussy ist häufiger auf den Konzertprogrammen zu finden, das von Lalo und César Franck so gut wie nie. Die fabelhaften Leistungen des Danel-Quartetts hätten einen weitaus besseren Besuch verdient.
1884 vollendete der Komponist der beliebten Rhapsodie Espagnole Édouard Lalo die endgültige Fassung seines fast dreißig Jahre zuvor begonnenen Streichquartetts Es-Dur op.45. Ein lebhafter Kopfsatz mit stürmischer Durchführung, ein tonlich intensives, aber auch stellenweise sehr intimes Andante non troppo, ein ungestümes, sprunghaftes Vivace mit neckischem Pizzikatoschluss und ein leidenschaftliches Finale stellen nicht geringe Anforderungen an die Interpreten, die sie aber mit tonlicher Delikatesse und bestem Zusammenspiel meisterten.
Zu wahren Klangzauberern wurde das Quatuor Danel bei dem neun Jahre später entstandenen Streichquartett g-Moll op.10 von Claude Debussy, das stilistisch gegenüber Lalo nun schon einen entscheidenden Schritt in Richtung Moderne vollzieht. Temperamentvoll und mit fließender Eleganz gestalteten die „Danels“ den Kopfsatz, duftig den von Pizzikato und ostinatem Arco-Motiv beherrschten zweiten Satz, tonlich schwelgerisch mit samtenem con-sordino-Klang das Andantino und geschmeidig, virtuos, doch stets mit beschwingter Lockerheit den bewegten Schlusssatz.
Sinfonische Ausmaße erreicht das Streichquartett D-Dur (1890) von César Franck, das wie seine Klavier- und Orgelwerke eine ausgesprochen dichte Faktur aufweist. Schon im Kopfsatz, der in jeder Phase eindringlich gestaltet wurde, kommt strenge Kontrapunktik zum Tragen. Huschend im Sordino eilt das Scherzo vorüber. Sehr expressiv gelang dem Quatuor Danel das chromatische Larghetto. Im Finale erlebte man zunächst Themenreminiszenzen aus den vorigen Sätzen, bevor der sinfonisch sehr ausgedehnte Satz, in den sich die Interpreten förmlich hinein knieten, mit gewaltiger Schlusssteigerung zu Ende ging.
Nach anhaltendem Beifall geb es noch einen Teil des Lalo-Scherzos als Zugabe. Niemand nahm es nach dem zeitlich und kräftemäßig überdimensionalen Abend übel, dass es wegen einer Notenverwechslung des Primarius mittendrin abgebrochen werden musste.
Neue Presse vom Mittwoch, 18.10.2006
FRANZÖSISCHEN ABEND „GEFÜHLSECHT“ ZELEBRIERT
Quatuor Danel bei den Musikfreunden
VON MARTIN POTYRA
Was ist los mit den eingefleischten Kammermusikfreunden Coburgs? Sind sie konzertmüde oder weniger gut bei Kasse? Haben sie nicht denn rechten Zug zu Werken die etwas abseits der gängigen Literatur liegen oder gibt es in Coburg gar ein Überangebot an Kammermusik? Letzteres ist beileibe nicht der Fall, denn die traditionellen Veranstalter dieses Genres verteilen ihre Termine stets mit Umsicht, damit kein Konzertliebhaber auf seinen angestrebten Genuss verzichten muss. Am Montagabend haben offensichtlich viele auf das französische Quatuor Danel verzichtet und weitaus mehr Plätze freigelassen, als bisher. Dass ihnen dabei ein hochkarätiger Quartettabend entging, sei gleich zu Beginn festgestellt.
Das seit 15 Jahren bestehende Quatuor Danel ging durch die internationale besten Schulen wie etwa dem La Salle Quartett, oder dem Amadeus- und Borodin-Quartett. So ist es nicht verwunderlich, dass sich der Primarius Marc Danel, Gilles Millet (zweite Violine), Vlad Bogdanas (Viola) sowie der Cellist Guy Danel als „Quartet in Residence“ sowohl an der Universität Manchester als auch bei den Festspielen im finnischen Kuhmo etablieren konnten. In Coburg griff das Ensemble zu einem rein französischen Programm, bei dem die Musik der Romantik im Vordergrund stand und das vom Streichquartett Es-Dur op. 45 von Édouard Lalo eröffnet wurde.
Berühmt von ihm sind sein „Sinfonie espagnole“ und sein Cello-Konzert; seine Kammermusik ist bei uns jedoch weitgehend unbekannt. Gerade wenn er sich wie im ersten Satz (Allegro vivo) um neue harmonische Ansätze bemüht, entfällt ihm die konzentrierte Weiterentwicklung musikalischer Gedanken. Das gelingt etwas besser im folgenden Andante non troppo und im Vivace, bei dem die motivische Keimzelle verarbeitet wird, aber auch das abschließende Appassionato konnte kaum logische Fortsetzungen erkennen lassen. Das Quatuor Danel konnte diese kompositorischen Mängel mit einer temperamentvollen und einer außerordentlich durchgefeilten Dynamik weithin ausgleichen. Auch das blinde, auf Urvertrauen gegründete Zusammenspiel ließ in diesem Werk eine Reihe von tonsetzerischen Feinheiten entdecken.
Leidenschaftlich
Der wahre Wert des Ensembles wurde erst bei der Interpretation des Streichquartettes g-Moll, op. 10, von Claude Debussy erkennbar. Welch ausgeglichene, einheitliche Tongebung der vier Streicher, welche Intensität gemeinsam erfühlter Steigerung und nicht zuletzt ein Pianissimo possibile, wie man zarter kaum hören kann durchströmte den Kopfsatz und den Beginn des zweiten Satzes mit seinem unglaublich weich gespielten Viola-Solo. Sozusagen „gefühlsecht“ schwang das Andantino aus und der sich aus der Tiefe entwickelnde Schlusssatz wogte in abgerundeten Wellen, zugleich diszipliniert und leidenschaftlich. Dass übrigens Kammermusik auch eine Augenweide sein kann, demonstrierte Marc Danel. Er lieferte stets neue und überraschende Sitzpositionen von halb kniend bis hin zum Schweben über seinem Klavierhocker als ein getreues Abbild seinen Geigenparts.
Innig-religiös
César Franck schrieb ein Jahr vor seinem Tod sein einziges Streichquartett, das in D-Dur. Mit seinen sinfonischen Ausmaßen von rund 50 Minuten in hochromantischer Tonsprache umschließt es quasi zyklisch alle darin vorkommenden Themen und fordert ein Ensemble zu einer Gestaltung, die weit über das Maß eines Einzelsatzes hinausgehen muss. Das Quatuor Danel erfüllte diese Bedingung nicht nur exzellent, sondern komprimierte die Sätze auch in ihrem inneren Aufbau. So geriet das Allegro nach der sorgsam vorbereitenden Einleitung zu einem unaufhaltsamen, immer währenden Fluss, in dem gar eine Fuge ihre durchdachte Entfaltung fand. Das spukhafte dahinhuschen des Scherzo mit seinem flüssigen Siziliano näherte sich der Leichtigkeit von Saint-Saëns und das Larghetto glich einem innig-religiösem Gesang. Im Finale schließlich vereinigten sich alle Themen zu einer Multi-Audition, die das Quatuor Danel „auf die Spitze“ trieb. Die Zugabe ging zusammen mit der Notenwirrnis des Primarius baden.




