Unser Ehrenmitglied spielt (2007)

Montag, 05. Februar 2007,

20 Uhr

Unser Ehrenmitglied spielt

Ewa Kupiec, Klavier

Clara Schumann

Sonate g-Moll (1841/42)

Robert Schumann

Symphonische Etüden op.13

Frédéric Chopin

Sonate h-Moll op.58

Seit 7 Jahren ist Ewa Kupiec nun schon Ehrenmitglied der Gesellschaft der Musikfreunde. Irgendwelche werbenden Texte erübrigen sich: für die hohe Qualität ihrer subtilen wie kraftvollen Kunst hat Ewa Kupiec in drei Solo Recitals und drei Auftritten mit kammermusikalischen Partnern (Alban Gerhardt – Isabelle Faust – Prazak Quartett) bereits selbst geworben. Vielleicht erinnert sich ja der eine oder andere Musikfreund an die vergangenen Soloabende: vor bald 12 Jahren spielte die Künstlerin ein Chopin-Programm mit einer Halbzeit Nocturnes und einer Halbzeit Polonaisen. Drei Jahre später waren Walzer und sämtliche Préludes von Chopin an der Reihe. Und im Januar 2002 erklang neben Chopins b-Moll Sonate der zweiteilige Zyklus „Auf grasverwachsenem Pfade“ von Leos Janácek.

Coburger Tageblatt vom 7. Februar 2007

EWA KUPIECS TEMPERAMENTVOLLE UND POETISCHE KUNST
Musikfreunde: Das Ehrenmitglied kam wieder zu einem hochkarätigen Solo-Recital ins Kongresshaus.


VON GERHARD DEUTSCHMANN

1995 gastierte Ewa Kupiec erstmalig bei der Gesellschaft der Musikfreunde in Coburg – drei Jahre nachdem sie den ARD-Wettbewerb gewonnen hatte. In der Folge war sie je drei Mal als Solistin oder Begleiterin im Kongresshaus zu erleben, wurde zum Ehrenmitglied der Musikfreunde ernannt und gab nunmehr ihr viertes Solo-Recital mit Werken von Clara und Robert Schumann sowie Frédéric Chopin. Das große Publikum bedachte das faszinierende Spiel der inzwischen international gefeierten Künstlerin mit starkem Beifall.

Dass Clara Schumann nicht nur eine begabte Pianistin, sondern auch Komponistin war, ist hinlänglich bekannt. Nur musste sie sich – wie Fanny Mendelssohn ihrem Bruder – ihrem Gatten unterordnen und durfte nur komponieren oder Klavier üben, wenn er nicht arbeitete. So konnte ihr Stil freilich nicht vollends ausreifen, und vieles wirkt etwas episodenhaft, nicht immer logisch aneinander gesetzt, wie etwa in der Sonate g-Moll, in den Jahren kurz nach der Hochzeit 1840 komponiert.

Sie besteht aus einem pianistisch anspruchsvollen Kopfsatz mit melodisch einprägsamem Hauptthema, einem kurzen ausdrucksvollen Adagio, einem kapriziösen Scherzo mit ruhigem Mittelteil und einem leidenschaftlich bewegten Rondo-Finale mit energischem Schluss. Ewa Kupiec konnte bereits hier ihre subtile Anschlagskultur und temperamentvolle Gestaltungskunst eindrucksvoll demonstrieren.

Die Pranke des Löwen zeigte sie anschließend in den ungemein schwierigen Symphonischen Etüden op. 13 von Robert Schumann über ein Thema des Barons v. Fricken. In den zwölf Variationen geht der Komponist bis an die Grenzen des pianistisch Möglichen und breitet daneben eine reiche Gefühlsskala aus. Von dem hinreißenden, kraftvollen wie poetischen Spiel der Pianistin war man förmlich hingerissen und konnte nur staunen, mit welcher Fingerfertigkeit, Treffsicherheit und großer Dichte des Ausdrucks Ewa Kupiec diesen klavieristischen Prüfstein bewältigte.

Nach der Pause wandte sie sich sodann ihrem Lieblingskomponisten und „halbem“ Landsmann Frédéric Chopin zu. Mit subtilem Anschlag, expressiver Melodieführung, breiter dynamischer Palette sowie eleganten Verzierungen spielte sie zunächst die beiden Nocturnes op. 62 in H- und E-Dur, um dann zum Schluss die große Sonate Nr. 3 h-Moll op. 58 anzugehen, deren Schwierigkeit man wohl mit den zuvor gehörten Schumann-Etüden gleichsetzen kann.

Hier hörte man einen energiegeladenen Kopfsatz mit schönen lyrischen Episoden, ein brillantes Scherzo mit poetischem Trio, dem sich ohne Pause das wie ein Nocturne wirkende Largo anschließt, welches Ewa Kupiec mit breit strömender, großbögig gestalteter Melodik versah, bevor sie in dem atemlosen Tarantella-Finale alle Register ihres virtuosen Könnens ziehen konnte und einen furiosen Abschluss hinlegte. Die hoch schlagenden Beifallswogen nach dieser bravourösen Leistung wurden noch – trotz leicht lädierten Flügels, was Ewa Kupiec humorvoll demonstrierte – mit mehreren Zugaben geglättet.

Zunächst führte sie mit der verinnerlicht gespielten „Träumerei“ wieder zu Schumann zurück, um sich dann ihrem zweiten Lieblingskomponisten Leos Janácek zuzuwenden. Von dem hat sie unlängst das gesamte Klavierwerk eingespielt. Zuerst brachte Ewa Kupiec den 1. Satz „Vorahnung“ aus der ergreifenden Sonate „1.X. 1905“ und anschließend das innig gespielte kurze Klavierstück „Die Frydecker Mutter Gottes“ aus dem Zyklus „Auf verwachsenem Pfad“.

Bleibt nur zu hoffen, dass die gefeierte Pianistin immer wieder mal den Weg zu ihren Coburger Verehrern findet.

Neue Presse vom 7. Februar 2007

TRIUMPHALE KRAFTENTFALTUNG
Ewa Kupiec bei den Musikfreunden – Polnische Pianistin brillierte beim siebten Coburg-Besuch mit Schumann und Chopin


VON RUDOLF POTYRA

Da ist doch eine schöne und fruchtbare Partnerschaft gewachsen zwischen der polnischen Pianistin Ewa Kupiec und der Coburger Gesellschaft der Musikfreunde. Seit Ewa Kupiec 1992 im ARD-Wettbewerb einen Preis im Duo-Spiel (zusammen mit einem Cellisten) gewonnen hat, ging ihre Karriere steil nach oben. Sehr bald „griffen“ die Coburger Musikfreunde zu und verpflichteten die Künstlerin 1995 zu einem ersten Konzert. Inzwischen sind es sieben geworden; vier reine Klavierabende und drei mit verschiedenen Kammermusikpartnern. Der Respekt vor ihrer Interpretationskunst und die Herzlichkeit des gegenseitigen Verhältnisses entwickelten sich so, dass die Musikfreunde der Künstlerin vor sieben Jahren die Ehrenmitgliedschaft antrugen. Mit dem gewachsenen Bekanntheitsgrad und der damit steigenden Zahl von Verpflichtungen im gesamteuropäischen Raum wird es immer enger im Terminkalender der Künstlerin und die Abstände zwischen den einzelnen Konzerten in Coburg werden länger. So liegt ihr letzter Auftritt bei den Musikfreunden bereits fünf Jahre zurück. Doch jetzt konnte ihre große Verehrerschar sie am Montag im Kongresshaus von Neuem begrüßen und feiern. Zwei Namen standen auf ihrem Programm: Schumann und – natürlich – Chopin; Schumann dabei gleich in doppelter Ausfertigung. Die 1841/42 entstandene Sonate g-Moll von Clara Schumann eröffnete die Vortragsfolge. Die gefeierte Pianistin, die bereits mit 9 Jahren debütierte und mit 13 auf ihre erste Konzertreise ging, schrieb 1841 zunächst zwei Sätze ihrer „Sonatine“, die sie ihrem Mann Robert widmete, mit dem sie seit einem Jahr verheiratet war. Im Jahr darauf komplettierte sie das Werk zu einer „ausgewachsenen“ viersätzigen Sonate.

Die Grenzen des Machbaren

Ein sangliches Thema beherrscht den Kopfsatz. An einen mehrstimmigen Chor erinnert das folgende kurze Adagio, das „ausdrucksvoll und gut gebunden“ („con espressione e ben legato“) gespielt werden soll. Ebenfalls knapp formuliert ist das folgende Scherzo, das „leggieramente“ („leicht, mit perlendem Anschlag“) zu interpretieren ist. Etwas großformatiger ist das Schlussrondo angelegt. Aus einem ganz anderen Holz geschnitzt sind die „Symphonischen Etüden“ op. 13 von Robert Schumann. Der Komponist wollte offenbar die Grenzen dessen austesten, was auf dem Klavier möglich ist. „Etüden im Orchestercharakter von Florestan und Eusebius“ sollten die 17 Charaktervariationen ursprünglich heißen, die einmal auf den orchestralen Klang hinweisen sollten, den Schumann auf dem Klavier erreichen wollte, und zum andern auf den gegensätzlichen Charakter der beiden erdachten Personen Florestan und Eusebius, die im Denken Schumanns eine wichtige Rolle spielten. In den Variationen entwickelt Schumann ein Klangspektrum, das von einer kaum mehr zu greifenden Akkordwucht bis zu glasklarer Stimmführung, von spielerischer Brillanz bis zu triumphaler Prachtentfaltung reicht. Dieser gewaltige Variationen-Zyklus, in dem sich viele farbige Bilder zu einer großen Einheit finden, kann sich ebenbürtig an die Seite von Beethovens „Diabelli-Variationen“ stellen. Mit einer nicht zu übertreffenden Spieltechnik und einer in jeder Variation treffenden Bildhaftigkeit spielte Ewa Kupiec das Werk in der vom Komponisten selbst auf 12 Variationen reduzierten Fassung. Nach der Pause kehrte Ewa Kupiec „heim“ zu Frédéric Chopin. Die beiden Nocturnes op. 62, mit denen sie begann, gehören zu den Spätwerken Chopins. Er schrieb sie 1846. Sie erscheinen relativ selten auf den Programmen. Sie sind nicht so wirkungsvoll wie die früheren, dafür aber reif bis in die letzte Wendung. Weich in der melodischen Erfindung, poesievoll und beseelt, erfuhren sie durch die Pianistin eine vollendete, vergeistigte Wiedergabe. Am Ende des Programms stand die Sonate Nr. 3 in h-Moll. Mit kräftigem Zugriff eröffnet sie der Komponist mit einem marschartigen Thema, dem ein elegant formuliertes folgt, das mit seiner melodischen Süße einen Hauch Salon zu verströmen scheint. Virtuose Brillanz verleiht ihm den adäquaten Glanz. Auf das anschließende Scherzo folgt unmittelbar ein in sich selbst versunkenes Largo; ein Kunstwerk von tiefer Eindruck–skraft. Dann aber geht’s mit Elan in das Finale. Es ist ein Rondo, das der Komponist eindeutig als einen glänzenden, mitreißenden Schluss konzipiert hat, der das ganze Werk krönen soll. Und das tat er auch mit Wahnsinnsskalen und einer Kraftentfaltung, der ein Ton des Klaviers nicht mehr gewachsen war und den Dienst versagte. Dieses Finale ist nicht nur ein spielerischer, sondern auch ein athletischer Gewaltakt. Den quittierten die vielen Besucher mit tosendem Beifall und lauten Bravorufen. Bei so viel Applaus ließ sich die Künstlerin nicht lange bitten, und gab, entspannt plaudernd, drei Zugaben: Robert Schumanns „Träumerei“ und von Leos Janacek einen leidenschaftlichen Sonatensatz und ein Gebet an die Gottesmutter