Coburger Tageblatt vom 28. Januar 2015
JUNGER PIANIST RETTET KONZERTABEND IN COBURG
Alexander Schimpf springt bei den Coburger „Musikfreunden“ kurzfristig für das wegen Krankheit abgesagte Konzert der Philharmonischen Solisten ein und erntet begeisterten Beifall als ebenso virtuoser wie poetischer Künstler.
VON GERHARD DEUTSCHMANN
Das mag ein schöner Schock für den Vorstand der Coburger „Musikfreunde“ gewesen sein: Am Abend vor dem Konzert musste das vorgesehene Ensemble wegen Erkrankung eines Mitglieds den geplanten Mozart-Abend absagen.
Zum Glück gelang es wenige Stunden später Musikvorstand Joachim Rückert dank seiner Verbindung zu vielen Künstlern, einen gleichwertigen „Ersatz“ zu finden, der sich sogleich bereit erklärte, den Abend zu retten. Es war der bereits vielfach ausgezeichnete Nachwuchspianist Alexander Schimpf (unter anderem Schüler von Bernd Glemser), welcher nun mit einem ausgewogenen Programm im großen Saal von St. Augustin zum ersten Mal in Coburg konzertierte und sich dank seines Könnens in die Herzen der Zuhörer spielte.
Bach zum Auftakt
Er begann mit der Toccata e-Moll BWV 914 von Johann Sebastian Bach, einem mehrteiligen Frühwerk des Meisters, das er in klarem, durchsichtigem Spiel straff konturierte und nach frei im Tempo gestalteten fantasieartigen Teilen mit einer rhythmisch präzisen und deutlich phrasierten Fuge krönte. Während manche Pianisten das rechte Pedal bei Bach meiden, machte Alexander Schimpf – wenn auch wenig – davon Gebrauch.
Tastenlöwe und Klavierpoet
Als Klavierpoet und Anschlagskünstler erwies sich der Pianist in den folgenden vier letzten Klavierstücken op. 119 von Johannes Brahms. Verträumt, tiefsinnig erklang das erste Intermezzo, unruhig, schmerzlich das zweite und in heiterer Stimmung das dritte. Der „Tastenlöwe“ kam in der abschließenden Rhapsodie erstmals zur Geltung, deren heroische Teile Schimpf kraftvoll, die lyrischen poetisch gestaltete.
Gipfelwerk zum Abschluss
Ein ausgesprochen virtuoses Werk stand zum Abschluss des ersten Teils auf dem Programm: „L‘ isle joyeuse“ von Claude Debussy, ein fesselndes, orgiastisches Klangbild mit typischen Exotismen in der Harmonik. Alexander Schimpf zeigte hier nicht nur fingerfertige Tastenakrobatik, sondern auch subtile Gestaltung und stilistisches Einfühlungsvermögen.
Ein Gipfelwerk der Klavierliteratur bildete nach der Pause den Abschluss des Konzerts: Franz Schuberts letzte Klaviersonate B-Dur D 960, die von Resignation und Abschied, aber in den beiden letzten Sätzen auch von einer gewissen frohen Abgeklärtheit geprägt sind. Alexander Schimpf machte in seiner tiefschürfenden Interpretation, in der keine Note als „unwichtig“ behandelt wurde, dieses Werk, das sicher viele schon mehrmals gehört haben, zu einem nachhaltigen Erlebnis.
Nach begeistertem Beifall kehrte er in der Zugabe zum Ausgangspunkt Bach zurück und zelebrierte geradezu die von Egon Petri angefertigte Transkription der Bach-Arie „Schafe können sicher weiden“. |
Neue Presse vom 28. Januar 2015
EIN EMPFINDSAMES KLAVIERDEBÜT
Alexander Schimpf spielt sich mit einem delikaten und klugen Klavierabend spontan in die Herzen der begeisterten Musikfreunde Coburg. Er ist ein begnadeter „Einspringer“.
VON BERND SCHELLHORN
Knapp zwanzig Stunden Zeit hat Alexander Schimpf, um sich für sein grandioses und spontanes Debut bei der Gesellschaft der Musikfreunde Coburg vorzubereiten. Ein geplanter Konzertabend mit Mozartwerken musste kurzfristig wegen Erkrankung einer Künstlerin ausfallen, und der Pianist sagt am Vor- abend des Auftritts kurz vor Mitternacht zu. Welch ein unglaublicher Glücksfall für die zahlreichen Musikliebhaber in Coburg, die diesen Klavierabend genießen dürfen. Der junge Pianist setzt für den Anfang – und am Ende mit seiner Zugabe – auf die Polyphonie des Johann Sebastian Bach. Dessen „Toccata Nr. 3 e-Moll BWV 914“ gliedert sich in vier ineinander fließende Abschnitte und bietet nach der enerviert vorgetragenen Introduktion ein präzise und klar vorgetragenes Fugato in weitem Atem und mit verführerischer Darbietung des thematischen Materials. Das folgende Adagio ist ein zurückgenommenes Bindeglied für die effektvolle Doppelfuge, die Alexander Schimpf bei all der Dichte des ersten Themas delikat aufblühen lässt, routiniert gestaltet und klug durchdacht und höchstlebendig durchführt. Großartig. Und das war nur zum Einspielen.
Die minimalen Motive, mit denen Johannes Brahms in seinen späten Klavierwerken arbeitet, sind eine Art Rückschau im Lebensherbst und besitzen herbe Attraktivität. Das erste der drei Intermezzi aus den „Klavierstücken op. 119“ setzt sich erst melancholisch im Sopran fest, will sich festklammern, fällt aber plötzlich aus großer Höhe in die Tiefe und beginnt leichtfüßige Bewegungen.
Tiefes Fingerspiel
Der Pianist formt ein tiefes Fingerspiel mit intensivem Kontakt zum Tastengrund. Auch der Kopf neigt sich meist über die Tastatur, nimmt den Schultern die Weite der Bewegung und fokussiert das Spiel in die Finger. Über das linke Pedal gibt Alexander Schimpf dem Klang noch weichere Nuancen, nimmt die Obertöne aus dem gut intonierten Yamaha-Flügel. Forsch und galant jagt er das Andantino „Un Poco Agitato“ durch die Hände und ruht sich plötzlich in einem sehr wienerisch klingendem Trio aus, das überraschend Walzer tanzt. Kurz und fix fertig ist das dritte Intermezzo, vollgriffig virtuos mit pathetischem Beginn schillert als Schluss-Satz die „Rhapsodie“. Es folgen die unendlichen Tonkaskaden der „L’ Isle Joyeuse“ von Claude Debussy, ein jeder Ton ist da und koloriert ein Gemälde in impressionistischer Detailbesessenheit. Eine transparente Intervallik legt sich unter die Arpeggi und gibt der Virtuosität eine unerwartete Statik. Da Alexander Schimpf zusätzlich die Vorhalte in der Melodik betont, webt sich in das Werk flirrend-schillerndes Auf- und Abwogen ein.
Reif und in hoffnungsvoller Grazie erklingt wie aus einem Guss nach der Pause Franz Schuberts „Sonate B-Dur D 960“, dessen letztes Klavierwerk. Nuanciert und kunstfertig nutzt der Pianist die Dynamik, bleibt aber im Klang stets nobel und von unaufdringlicher Contenance, ohne den Hauch eines Manierismus. Wunderbar gibt er den vielen Innenstimmen ein Eigenleben. Er säuselt die Triller im Bass, ohne jede gespenstische Mystik, es klingt wie auf der Suche nach letztem Halt, dem Streben nach der Essenz.
Weisheit des Narren
Im Andante sostenuto spielt sich die übergreifende linke Hand mit glockenspiel-ähnlichem Pianissimo durch alle Zeitläufe, zart und doch ehern. Das plötzliche Aufbegehren im Fortissimo mit seiner Terzharmonik sinkt wieder in diese gepolsterte Ruhe zurück. Das Scherzo lässt Alexander Schimpf mit der shakespeareschen Weisheit des Narren reden. Dann findet er für das Allegro die überzeugende Einheit aus Delikatesse, Einfachheit, Dramatik und Virtuosität und stellt diese Gegensätze mühelos und kunstfertig nebeneinander. Das Publikum im Großen Saal von St. Augustin bejubelt den Pianisten und bekommt als Zugabe eine Bearbeitung von Johann Sebastian Bachs Arie „Schafe können sicher weiden“. Zum Niederknien singend-sinnlich gestaltet von Alexander Schimpf – der als „Aushilfe“ ein unerwarteter Glücksfall war. |