Montag, 18. November 2013, 20 Uhr
Kongresshaus Rosengarten
Saitensprünge |
PIOTR PLAWNER, Violine solo |

Johann Sebastian Bach | Partita d-Moll BWV1004 |
Grazyna Bacewicz | Sonate Nr. 2 für Violine solo |
Polnisches Capriccio für Violine solo (1949) | |
Fritz Kreisler | Recitativo und Scherzo-Caprice op. 6 |
Pietro Locatelli | Caprice op.3,23 “Il labirinto” |
Heinrich Wilhelm Ernst | Étude Nr.6: Variationen über das irische Volkslied “The last rose of summer” |
Es gibt im musikalischen Betrieb immer wieder äußerst bemerkenswerte Situationen: da wollte unser Ehrenmitglied Ewa Kupiec die vertraglich vereinbarte Programmfolge im Rahmen ihres Chopin-Zyklus (aus verständlichen Gründen) bei uns nicht spielen und bot stattdessen ein anderes Projekt an: die beiden Klavierkonzerte Chopins in der Kammermusikfassung für Streichquartett an Stelle von Orchester. Das Honorar blieb das gleiche: Ewa Kupiec spielte umsonst und bezahlte mit ihrer Gage das Plawner Quartett. So ergab sich völlig unvermutet der Kontakt zu dem polnischen Geiger Piotr Plawner, der uns nun einen halsbrecherisch schweren Soloabend auf den 4 Saiten seiner Geige präsentieren wird. Durch drei Jahrhunderte Virtuosität führt uns die Abfolge der Stücke. Über Piotr Plawner erfährt man mehr unter | |
Coburger Tageblatt vom 20. November 2013 VON JOCHEN BERGER Wie sieht ein Teufelsgeiger im 21. Jahrhundert aus? Wie einst Paganini – schwarze, wirr durcheinander fliegende Haare, bohrender Blick? Oder doch eher wie David Garrett, der im Film gerade Paganini mimt, ansonsten aber auf blonde Haare und Pferdeschwanz setzt? Piotr Plawner sieht nicht aus wie Paganini oder Garrett – und hat für seinen Soloabend bei der Coburger „Gesellschaft der Musikfreunde“ dennoch ein Programm parat, das jeden Teufelsgeiger ins Schwitzen bringen könnte. Plawner aber, braunes, mittellanges Haar, freundlicher Blick, gerät keineswegs ins Schwitzen, lässt vielmehr das Publikum innerlich warm werden. Zum Auftakt: Bachs d-Moll-Partita für Violine solo, ein Werk, das in der Kombination aus gestalterischem Anspruch und technischer Herausforderung gewiss noch immer zu den heikelsten Aufgaben für Geiger zählt. Piotr Plawner jedoch spielt Bachs Partita einerseits höchst konzentriert, andererseits mit verblüffender Natürlichkeit. Bravour-Stück von Kreisler Manche Geiger, die sich an dieses Werkwagen, bieten heute eine betont schlanke, klanglich aufgeraute Lesart, die sich an den Erkenntnissen der historischen Aufführungspraxis orientiert. Plawner dagegen setzt auf abgerundeten, wenn auch nicht romantisch üppigen Ton, lässt die Geige singen und die melodischen Bögen weit ausschwingen. Plawners Bach klingt fließend und rund, besitzt gleichwohl klare Konturen und gut ausgewogene Proportionen. Auch die berühmte Chaconne mit ihren zahllosen Variationen wirkt stets organisch und ist genau gegliedert – eine interpretatorisch reife Leistung. Von Johann Sebastian Bach zu Heinrich Wilhelm Ernst – größer kann der Kontrast kaum sein. Denn auf Bachs Tiefgang folgt zum Auftakt des zweiten Teils die pure Brillanz – Virtuosität um der Virtuosität willen. Schließlich hat Ernst in seiner 6. Etüde mit Variationen über das irische Volkslied „The last rose of summer“ eine technische Höchstschwierigkeit an die nächste gereiht. Piotr Plawner bewältigt auch diese heikle Herausforderung jederzeit souverän – genauso souverän wie Fritz Kreislers Bravourstück Recitativo und Scherzo-Caprice sowie die Caprice mit dem vielsagenden Titel „Il labirinto“ des italienischen Bach-Zeitgenossen Pietro Locatelli. Grazyna Bacewicz zählt zu den profiliertesten Musikerpersönlichkeiten im Polen des 20. Jahrhunderts. Ihre 2. Solosonate für Violine, 1958 und damit elf Jahre vor ihrem Tod entstanden, ist eine gestalterisch sehr anspruchsvolle Aufgabe, verzichtet aber – mit Ausnahme des Presto-Finales – auf äußere Brillanz. Plawner, wie Bacewicz in Lodz geboren, gelingt eine ebenso engagierte wie eindringliche Deutung des Werks, dessen spannungsvolle Tonsprache sich in intensiven Ausdruck verwandelt. Den Schlusspunkt des offiziellen Programms setzt dann das „Polnische Capriccio“ von Bacewicz – ein folkloristisch gefärbter Gesang auf der Geige. Gut 15 Jahre sind seit dem letzten geigerischen Soloabend bei den Coburger „Musikfreunden“ vergangen. Wer Plawners gefeierten Auftritt erlebt, weiß spätestens jetzt,warum das so ist – weil es nur wenige Geiger gibt, die ein derart anspruchsvolles Programm technisch wie musikalisch gleichermaßen souverän bewältigen können. Kein Wunder, dass das zu Recht begeisterte Coburger Publikum diesen Künstler erst nach zwei Zugaben endgültig vom Podium lässt. Plawner bedankt sich mit einem weiteren Capriccio aus der Feder von Grazyna Bacewicz und kehrt schließlich zu Bach zurück – mit der bekannten Gavotte aus der dritten Partita E-Dur. | |
Neue Presse vom 20. November 2013 VIRTUOSE LUST AM MUSIZIEREN VON DR. PETER MÜLLER Mit höchster Konzentration begann am Montagabend der polnische Violinvirtuose Piotr Plawner (*1974 Lodz) sein Solokonzert bei den Musikfreunden Coburg. Mit den schwergewichtigen Musikkonstruktionen der „Partita d-Moll BWV 1004“ von Johann Sebastian Bach legte er einen festen musikalischen Grund für die zauberhaften Werke brillanter „Teufelsgeiger“. Diese Komposition für Violine solo ist ein körperlicher, geistiger und technischer Kraftakt, der als leicht und duftig kreisende Tanzsuite daherkommt und auch mit weichem schmelzenden Ton von Piotr Plawner intoniert wurde, aber bis zum friedlichen Ende in Dur viel strukturelles, konstruktives Denken erfordert. Ob dieser Anstrengung wurde danach die Pause vorverlegt,um wieder frei und offen zu werden für das Abbrennen des folgenden Feuerwerks mit spektakulären fingerakrobatischen Werken, die mit fast unmöglichen Möglichkeiten die vier Saiten der Geige zum philharmonischen Spielfeld machen. Geigenvirtuosität, die immer neu verzaubert und mitreißt wie die „Étude Nr. 6: Variationen über das irische Volkslied „The Last Rose Of Summer“ von Heinrich Wilhelm Ernst (1814-1865), der selbst Paganini noch an Virtuosität übertreffen wollte. Großartig melodisch und ganz die Virtuosität in den Dienst des musikalischen Ausdrucks stellend erfreut demgegenüber das „Recitativo und Scherzo-Caprice op. 6“ von Fritz Kreisler (1875-1962), der selbst Maßstab aller zeitgenössischen hochkarätigen Salonmusik war und bleibt. Spielerisch leicht und duftig flattert südländisch „Il labirinto“, ein „Caprice op. 3, 23“ des europäischen Wandergeigers Pietro Locatelli (1695-1764) durch den Konzertsaal, bevor Piotr Plawner mit der polnischen Violinistin und Komponistin Grazyna Bacewicz (1909-1969) für die eigentliche Sensation und den Höhepunkt des Konzertes sorgte. Werktreue und Präzision Dissonant Spannung aufbauend beginnt ihre dramatische „Sonate Nr. 2 für Violine solo“, in virtuoser Umspielung und damit eigener Begleitung entwickelt sich untergründig ein fester großer Melodiebogen. Virtuose technische Stilmittel werden durchweg musikalisch eingesetzt, so dass die Auseinandersetzung zwischen Harmonie und Disharmonie im nachvollziehbaren energischen Pizzicato-Thema endet. Im zweiten Satz „Adagio“ kündigen gesangliche, folkloristische Motive Wehmut der Auflösung der Formen an, so dass die Melodien den Takt angeben und die Musik „frei“ wird. Wilde Musizierfreude folgt im „Presto“ aus dieser Befreiung. Diese Lust am Musizieren zeigen die Komponistin wie der Solist des Abends in ihrem „Polnischen Capriccio für Violine solo“ von 1949, das in rasenden Glissandos die Festigkeit der Einzeltöne auflöst und verzweifelt, aber auch wild angefacht nach Halt sucht. Mit dieser neuen Bekanntschaft zu Grazyna Bacewicz wurde das Konzert des technisch hervorragenden Geigenvirtuosen Piotr Plawner – der mit Werktreue und Präzision fasziniert, ohne jedoch „Paganinis Irrsinn“ mit Leben und Glut zu erfüllen – zu einer Bereicherung für alle Liebhaber effektvoller, aufwühlender, virtuoser Meisterwerke mit der Violine als Soloinstrument. Das Publikum erlebte dank seines hartnäckigen begeisterten Applauses noch zwei dieser hinreißend interessanten „Capriccios“ der polnischen Neuentdeckung, bevor der Künstler das Konzert abrundete und mit einer „Gavotte“ aus der „Partita III“ von Johann Sebastian Bach klangschön melodisch beendete. | |