Beethoven Projekt: Beethoven Pur – MICHAEL LESLIE (2013)

Montag, 21. Oktober 2013, 20 Uhr

Kongresshaus Rosengarten

Beethoven Projekt: Beethoven Pur

MICHAEL LESLIE, Klavier

 

Ludwig van Beethoven

Sonate Nr. 22 F-Dur op. 54

 
 

Sonate Nr. 24 Fis-Dur op. 78 “Á Thèrése”

 
 

6 Bagatellen op. 126

 
 

Sonate Nr. 29 B-Dur op. 106 “Große Sonate für das Hammerklavier”

 
 
 

Über Michael Leslie schreibt die SZ am 04.02.2011: „Es gibt sie also doch noch, die bedeutenden Pianisten, die der Markt irgendwann schlicht übersehen hat. Lange schon lebt der gebürtige Australier in München, spielt mal hier, mal dort, hat ein paar CDs aufgenommen. Von einem „Geheimtipp“ spricht die Biographie. Wenn so einer auf die Idee kommt, an einem einzigen Klavierabend eine der drei letzten Haydn-Sonaten, die letzte Schubert-Sonate und hintendrauf noch Beethovens Diabelli-Variationen zu spielen, dann muss er wahnsinnig sein. Oder wahnsinnig gut. Und rasch ist klar: Michael Leslie ist keiner, der auftrumpft, gar protzt…es sind Schlichtheit, Natürlichkeit und Abgeklärtheit, die das Spiel berührend machen… Zugaben? Keine. Stattdessen lieber weitere Abende des unscheinbaren Meisters Michael Leslie.“ Dem ist nichts hinzuzufügen, außer:

www.michael-leslie.eu

 
 
 

Neue Presse vom 23. Oktober 2013 

FREIHEITSDRANG EINES REVOLUTIONÄRS 
Michael Leslie zeigt den schmalen Grat auf dem Weg zu Beethovens Olymp auf. Als Mensch und Künstler fasziniert er Coburgs Musikfreunde im Kongresshaus.

VON DR. PETER MÜLLER 

Sind wir ehrlich, der Kalauer lohnt sich: Das war ein Hammer! „Beethoven pur“ hatte der aus Australien stammende Konzertpianist Michael Leslie als Motto über sein Programm für Montagabend bei den Coburger Musikfreunden im Kongresshaus Rosengarten geschrieben. Es waren nur zwei Namen zu merken: Ludwig van Beethoven (1770- 1827) und Michael Leslie (*1943). Aber die hatten es in sich.

Auf wunderbare angelsächsische Art führte der Pianist sehr informativ, redegewandt, mit umfassender Kenntnis und viel Humor in die Struktur und Wertigkeit jedes einzelnen Werks ein, bevor der nun auf den Geschmack und tieferes Verständnis gestoßene Konzertbesucher dem zarten und hyperkorrekten Anschlag des Klaviervirtuosen auch im energischen Widersprechen eines Motivs genießend lauschen konnte.

Die schon auf die Einfachheit als höherer Natur der Musik hinzielende „Sonate F-Dur op. 54“ führt zwei Themen in einen klaren Disput, in dem die Thesen festzustehen scheinen. Eine lieblich weibliche Stimme singt eine Melodie voller Glaube an die Schönheit, der ein raues, dazwischenfunkendes Thema Widerpart leistet, bis es erkennt, dass beide Gleiches wollen, nur ihre Temperamente unterschiedlich reagieren. Das Motiv der Schönheit setzt sich energisch durch.

Nach diesem kommunikativen „Menuetto“ geraten im „Allegretto“ alle wohlgeordneten Gefühle und Harmonien in Aufruhr. In einem Perpetuum mobile, einem furiosen Treiben von Motiven, verzweigen sich deren charaktervolle Antriebe und Lösungsansätze wie Dornenranken empor zum Licht, ohne dass zwischendurch Raum bleibt, die eigene natürliche Schönheit im Kleinen zu bestaunen. Am Ende: Nichts wie hoch und raus, aus.

Aus einem Guss

Wie eine Toccata oder Fantasie aus einem Guss erklang mit dem nuancierten Feingefühl und klaren Spannungsaufbau Michael Leslies, der jedem Ton und jeder Phasenverschiebung ihres Wertes nachging und sie zum Klingen brachte, „Á Thèrése“ die „Sonate Fis-Dur op. 78“. Eine liedhafte, ideenreiche Sonata quasi una Fantasia präsentierte sich, mit Neigung zum tänzerischen volkstümlichen Rondo, zur durch Modulationen und Variationen umspielten freien Improvisation, und zum kontrastreich bestärkten Drang hin zum Hohen Lied. Alles entwickelt sich aus vier einleitenden Takten, „Adagio cantabile“ überschrieben, die das Motto angeben, um mit Tempo („Allegro ma non troppo – Allegro vivace“) kräftige Koloraturen zum kleinen pastellfarbenen Hauptmotiv zu malen.

Ganz liebevoll und wie in Samt gebettet präsentierte Michael Leslie die fein geschliffenen Diamanten der „6 Bagatellen op. 126“, der letzten Klavierstücke Ludwig van Beethovens. Als wertvolle Ideen- und Musiksplitter spiegeln sich die Kristallstrukturen der ganz großen Kompositionen in ihnen. Dieselbe Kraft der Form und Kühnheit der Konstruktion findet sich wie in Eiskristallen repräsentativ im Kleinen für das Ganze. Ein harmonischer Mikrokosmos feinster Klangschattierungen und geistvollster Apercus begleitete die vielen angespannten Besucher und den Künstler in die Pause.

Mit keiner dieser progressiven Kompositionen, die seine revolutionäre „Neue Musik“ als Zumutung für die Gesellschaft vorstellten, als Freiheitslust eines romantischen Revolutionsmenschen, ging er in seiner geistigen Anforderung an den Musiker und Hörer so weit wie in seiner – zu Lebzeiten für unspielbar geltenden – „Hammerklavier-Sonate“, seiner „Sonate B-Dur op. 106“. Mit ihr scheint Beethoven jedes klassische Maß zertrümmert zu haben. Die Sonatenform scheint eine leere Hülle seiner experimentellen Verrücktheit und seines romantischen Wahns.

Glasklares Spiel

Gegen alle Vorurteile und Missverständnisse demonstrierte Michael Leslie mit seinem transparenten und glasklaren Spiel Beethovens dialektischen Sprung „Zurück zur Natürlichkeit“, zurück in die Einfachheit der Konstruktion, in die Vielfältigkeit der Kombinationsmöglichkeiten aus nur wenigen ursprünglichen, letzten Gesetzen heraus. Beethoven sprengt nicht die Form, sondern er offenbart und fordert die souveräne Beherrschung der Form, die Klarheit und Konzentration der Darstellung. Gerade im aufhebenden Rückgriff auf die Fuge im großen Finalsatz verwendet er ein barockes Ausdrucksmittel zur höchsten Konzentration des intellektuellen Inhalts, nachdem die „Unschuld der Homofonie“ längst verloren war.

Es war begeisternd, Zeuge dieser reinen Art der Klavierkunst mit Michael Leslie zu sein, der als Erzähler den Weg zu mehr Verständnis der Klavierwerke Beethovens wies und als Virtuose seine Zuhörer schlichtweg vom Sessel riss. Ein großer Musikabend mit einem gefeierten Solisten, der viel zu denken aufgab.  

 
 
 

Coburger Tageblatt vom 23. Oktober 2013

GRANDSEIGNEUR DES KLAVIERSPIELS 
Wie der australische Altmeister des Klaviers Michael Leslie bei den Musikfreunden mit „Beethoven Pur“ die Herzen der Zuhörer gewinnt und am Ende mit stehenden Ovationen bedacht wird.

VON GERHARD DEUTSCHMANN

Hans von Bülow bezeichnete einst das „Wohltemperierte Klavier“ Bachs als das „Alte Testament“, die 32 Klaviersonaten von Beethoven als das „Neue Testament“ des Klavierspiels. Das ehrgeizige Beethoven- Projekt der Musikfreunde widmet sich seit einigen Jahren Letzterem und kam seinem Ziel beim jüngsten Konzert um ein ganzes Stück näher.

„Szenen einer Ehe“

Der als „Geheimtipp“ gehandelte, in München lebende 70- jährige Pianist Michael Leslie hatte nicht weniger als drei Sonaten des Wiener Meisters im Gepäck, dazu dessen letztes Klavierwerk überhaupt, die sechs Bagatellen op. 126.

Die Zuhörer erlebten nicht nur meisterhafte Interpretationen, sondern zugleich auch ausführliche Einführungen zu den Werken, wodurch der Abend die sonst übliche Konzertlänge um einiges überschritt. Am Beginn standen zwei seltener zu hörende Sonaten der mittleren Schaffensperiode, deren Gemeinsamkeit darin besteht, dass sie zweisätzig sind. Ansonsten sind sie durchaus verschieden im Charakter.

Die Sonate F-Dur op. 54 zeigt im ersten Satz schroffe Gegensätze (vom Pianisten humorvoll als „Szenen einer Ehe“ bezeichnet), im zweiten ein brillantes Perpetuum mobile.

„Kühle Kostbarkeiten“

Die der Gräfin Therese von Brunswick gewidmete Sonate 24 Fis-Dur op. 78 ist mehr melodisch ausgerichtet und weist deutliche motivische Beziehungen zwischen beiden Sätzen auf. Michael Leslie zeigte in beiden Werken kultivierten, differenzierten Anschlag, überlegene Technik und ausdrucksvolle, dynamisch ausgefeilte Gestaltung.

Als „kühle Kostbarkeiten“ könnte man die sechs Bagatellen op. 126, Beethovens letztes zusammenhängendes Klavierwerk, bezeichnen, die sehr konzentriert, ja manchmal (wie etwa in der letzten) geradezu konstruktiv komponiert sind und keineswegs als „Hausmusik“ gedacht sind, wie der Titel vermuten ließe. Michael Leslie bot eine feinsinnige Ausdeutung dieser Pretiosen mit erkennbarer Liebe zum Detail und brachte so eindrucksvoll den jeweiligen Charakter der einzelnen Stücke zum Erklingen.

Mit Bravour gemeistert

Nur wenige Pianisten wagen sich an das dreiviertelstündige Riesenwerk der Sonate B-Dur op. 106, der Großen Sonate für das Hammerklavier, die 1818 nach einer Lebenskrise entstand und seinem Freund und Förderer, dem Erzherzog Rudolph gewidmet ist. Michael Leslie wagte es und bot eine überzeugende Wiedergabe dieses Meilensteins in der Musikgeschichte, der mit einer haarsträubenden Fuge endet, die der Pianist mit Bravour und nie erlahmender Kraft und Konzentrationsfähigkeit bewältigte.

Begeisterter Beifall und die schon erwähnten – bei den Musikfreunden sonst selten zu erlebenden – stehenden Ovationen.

EIN PIANIST, DER IN KEIN GÄNGIGES RASTER PASST

VON JOCHEN BERGER

Wenn ein Pianist des Jahrgangs 1943 noch immer als Geheimtipp gilt, sagt das vermutlich mehr über den Musikbetrieb aus als über den betreffenden Künstler.

Schneller, lauter, bunter – so scheint das Profil jener Künstler zu sein, die sich auf dem hart umkämpften Klassikmarkt durchsetzen wollen. Jung und virtuos sollten sie sein und möglichst fotogen – ob sie dann interpretatorisch tatsächlich etwas zu

Denn Michael Leslies Gastspiel im Kongresshaus ist nicht einfach nur ein Konzert, sondern fast eine Vorlesung mit integriertem Konzert. Mit dem Vorwort einer Notenausgabe aus der Mitte des 19. Jahrhunderts macht Leslie deutlich, wie sehr sich der Blick auf Beethoven verändert hat. Dieses Wissen um die Verfallszeiten scheinbar unverrückbarer Wahrheiten bewahrt Michael Leslie vor jeder Form von dogmatischer Rechthaberei.Er ist unbeirrbar in seinem Bestreben, dem Willen des Komponisten möglichst nahe zukommen und weiß doch zugleich,dass große Musik natürlich mehr zulässt und verträgt als nur eine einzige Lesart, die damals die vermeintlich endgültige präsentiert wird.

Wer die Karriere von Michael Leslie betrachtet, findet manche CD-Einspielung,manche Rundfunkaufnahme sowie Auftritte mit namhaften Orchestern. Doch die großen Plattenfirmen haben Michael Leslie nicht im Repertoire. Warum nur? Weil er nicht stromlinienförmig wirkt? Weil seine Sicht beispielsweise auf Beethoven Ecken und Kanten hörbar macht? Genau damit aber wird dieser Pianist unverwechselbar.