Piano spezial – Alexander Krichel (2010)

Montag, 12. April 2010

Foyer der HUK-COBURG, Willi-Hussong-Str. 2, Bertelsdorfer Höhe

Alexander Krichel, Klavier

 

Eintritt für Mitglieder 12,- €, Gäste 19,- €, Schüler/Studenten frei

 
 
 

Coburger Tageblatt vom 14. April 2010

SENSIBEL GESTALTENDER KLAVIERARTIST
Der junge Pianist Alexander Krichel beeindruckte am Montag bei der „Gesellschaft der Musikfreunde“. Auf dem Programm standen Werke von Beethoven bis Rachmaninow.

VON GERHARD DEUTSCHMANN

Erst 21 Jahre ist er jung und dennoch schon mehrfacher Preisträger bei renommierten Klavierwettbewerben, daneben auch noch mathematisch und fremd- sprachlich hoch begabt. In seinem klassisch-romantischen Recital mit Werken von Beethoven, César Franck, Rachmaninow und Chopin bei den Musik freunden im gut besuchten Foyer der HUK überzeugte Alexander Krichel durch brillante Technik wie sensible Gestaltung, in der er hohe Anschlagskultur und eine reiche dynamische Palette zeigte. Den Auftakt seines Konzerts bildete die Sonate d-Moll op. 31,2 „Der Sturm“ von Ludwig van Beethoven, welche durch Shakespeares gleichnamiges Drama inspiriert wurde, aber keine direkten Bezüge zu seinem Inhalt enthält. Geheimnisvoll, in „echtem“ Pianissimo begann Alexander Krichel die Largo-Einleitung und gestaltete gut phrasiert die Allegro-Einschübe. Die jähen dramatischen Übergänge im weiteren Verlauf des ersten Satzes wurden nicht übertrieben, eher herrschte eine vornehme Zurückhaltung im dynamischen Bereich. Innerlich gefangen nahm das mit großem Atem und sensiblem Anschlag zelebrierte Adagio, bevor das geschmeidig dahin fließende Allegretto einen undramatischen Abschluss bildete.

Temperamentvoll

Einen schweren „Brocken“ hatte sich Alexander Krichel sodann mit Prélude, Choral et Fugue h-Moll von César Franck vorgenommen, einem späten, dicht komponierten Meisterwerk des „französischen Brahms“. Souverän tauchte er in die komplexe chromatische Tonwelt ein und gestaltete die drei ineinander übergehenden Teile des anspruchsvollen Werks differenziert, mit großen Steigerungen wie aus einem Guss. Hier, besonders in der ausladenden Fuge zeigte der Pianist auch energischeren Anschlag und bewies hiermit sein Gespür für die unterschiedliche Stilistik der Kompositionen.

Technisch noch mehr „in die Vollen“ ging es nach der Pause mit drei Etudes – Tableaux aus op. 39 von Sergej Rachmaninow, alle teuflisch schwer mit unterschiedlichen pianistischen Aufgaben, die Alexander Krichel temperamentvoll und griffsicher zu bewältigen vermochte. Höhepunkt war nach den Etüden 1 c-Moll und 5 es-Moll die wilde, toccatenähnliche Nr. 6 in a-Moll.

Umwerfende Virtuosität

Den krönenden Abschluss des Konzerts im Chopin-Jahr bildete dessen berühmte 2. Sonate b-Moll op.35 mit dem Trauermarsch. Überzeugend gestaltete der Pianist die Themengegensätze im ersten Satz und ließ dem drängend gespielten Scherzo ein klanglich subtil ausgeleuchtetes Trio folgen. Nachdenklich, ja in diesen Tagen besonders ergreifend, erklang der Marche funèbre mit besonders expressivem Mittelteil. Umwerfende Virtuosität bewies Alexander Krichel dann noch einmal im atemlosen Presto-Finale, das – einmalig in der Musikgeschichte – aus einem durchgehenden Oktav-Unisono besteht. Für den anhaltenden, lebhaften Beifall bedankte sich der Pianist mit einer zauberhaften, gefühlvollen Wiedergabe des letzten Nocturnes cis-Moll (ohne Opus) von Chopin.

 
 
 

Neue Presse vom 14. April 2010

DIE PERLENDE REIFE UND KLARHEIT DER JUGEND
Alexander Krichel betört im „Piano Spezial in der HUK“ mit sinnlich durchdachtem Spiel.

VON BERND SCHELLHORN

So gekonnt, reif und unspektakulär straff interpretiert erlebt man als Zuhörer die Sonate d-Moll von Ludwig van Beethoven selten. Die Töne des sich aufbauenden Anfangsakkordes münden in ein beseeltes Pianissimo, glockenhell in empfindsamer Zurückgenommenheit. Die Rubati geschehen am Ton, halten das Tempo im Metrum und geben der Struktur den Vorrang. Es gibt keine überzogene Dynamik (die ja viele Pianisten gerade bei Beethoven suchen), sondern die fast Bach’sche, inventionsartig intelligente Klarheit der verwobenen Motive. Diese herauszuarbeiten ist wahre Kunst und reine Fingerfertigkeit. Es entsteht ein transparenter, makelloser Klang, der dieser Sonate eine herrlich klassische Farbigkeit verleiht, sich aber nie in dieser verliert, sondern immer die klare Linie sucht.

Kaum zu glauben, dass der Pianist Alexander Krichel gerade erst die Zwanzig überschritten hat. Aber sicherlich zehrt seine Reife immens aus der Reinheit des Mathematikers. Denn auch auf diesem Gebiet ist der junge Mann eine Begabung. Die Schönheit erfährt der Mathematiker im Einfachen, Schlichten.

Dieses Erlebnis der Klarheit, diese Schönheit findet sich im Klang und in der Interpretation wieder. Über die herausragende Technik brauchen wir kein Wort zu verlieren. Was aber wahrlich berührt, ist die Seele des Spiels, die Essenz, die sich in fast existenzieller Perfektion in den Raum legt. Sie verleiht jedem Vortragsstück seine Individualität, seinen Namen, seine eigene Struktur. Und genau dies macht Alexander Krichel zu einem großen Talent, zu viel versprechendem Nachwuchs.

„Prélude, Choral et Fugue“ von César Franck gestaltet er wiederum durch inniges Pianissimo und zauberhaft weiche Kantilenen. Und wenn es an diesem Abend eine Winzigkeit zu bemängeln gibt, dann sind es hier die Basslinien, die im „Prelude“ wegen ihrer harmonischen Bedeutung noch etwas mehr heraustreten sollten. Der Choral wuchtet sich in ein erhaben-klangvolles Fortissimo, das einzige an diesem einzigartigen Abend. Die „Fugue“ ist schimmerndes Geschmeide, diamantene Klarheit. Der Kontrapunkt erhebt sich glitzernd, die fast unspielbare Durchführung ist gut vorbereitet und kommt in naiver Klarheit, unprätentiös, ist einfach „da“. In jedem Ton. Es ist schier unglaublich.

Ganz der pianistischen Technik gewidmet sind die „kleinen Einspielstücke“, die „Etudes-Tableaux op. 39“ von Sergej Rachmaninow. Sie sind durch ihre Sprünge, die aberwitzigen Akkordläufe und die in beide Hände verknüpfte Melodik nur über die konditionierte Motorik spielbar, jegliches Überdenken, also die „Kontrolle durch den Kopf“, ist während des Vortrags nahezu ausgeschlossen. Alexander Krichel ist hier voller jugendlichem Elan bei der Sache, atmet Rhythmus, sucht und findet die mysteriöse Stimmung in der Nr. 6 und die wunderbaren, fast gesungenen Linien der melodisch-dominanten Skala im weichen es-Moll der Nr. 5.

Die folgende „Sonate b-Moll“ von Frédéric Chopin war schlicht und einfach perfekt – mehr kann ich dazu nicht sagen. Aber das für mich Erhabenste, Feinste und Liebenswürdigste war die Zugabe in Form eines „Chopin-Nocturne“: Einfach so dahin gespielt in intensivster Reinheit und tief empfundener Sinnlichkeit. Als kleines „Dankeschön“ für das ergriffene Publikum dieses „Piano Spezial“. Hoffentlich holt die Gesellschaft der Musikfreunde diesen jugendlich-reifen Pianisten wieder nach Coburg, denn in ihm steckt internationales Potenzial.