Daedalus Quartet (2008)

Montag, 10. November 2008

im Kongresshaus Rosengarten

Podium junger Künstler – international

Gemeinschaftsprojekt mit dem Kulturbüro der Stadt Coburg

Daedalus Quartet, New York

Min-Young Kim, Violine
Kyu-Young Kim, Violine
Jessica Thompson, Viola
Raman Ramakrishnan, Violoncello

 

Joseph Haydn

Streichquartett F-Dur op. 77,2 Hob III: 82

 

Igor Strawinsky

3 Stücke für Streichquartett (1914/1918)

 

David Horne

Flight from the Labyrinth (2004)

 

Felix
Mendelssohn-Bartholdy


Streichquartett a-Moll op. 13

 
 
 

Eigentlich ist die Bezeichnung „Podium junger Künstler“ für dieses Konzert etwas tief gestapelt. Die Carnegie Hall in New York nominierte das Quartett für die Reihe „Rising Stars“ der European Concert Hall Organization (ECHO). Damit verbunden waren Auftritte in der Wigmore Hall London, im Concertgebouw Amsterdam, der Kölner Philharmonie, im Salzburger Mozarteum, im Wiener Musikverein usw. Benannt nach Daedalus, dem sagenhaften griechischen Erfinder der Antike, der auf selbst gebauten Schwingen nach Freiheit strebte, erklimmt das Daedalus Quartet derzeit eben diese Höhen und etabliert sich in den USA zu einem der vorzüglichsten Quartette. Auf dem Programm stehen Werke von Joseph Haydn und Felix Mendelssohn-Bartholdy, deren 200-jährige Gedenktage in diese Saison fallen. Das Stück von David Horne wurde durch das Daedalus Quartet uraufgeführt.

www.daedalusquartet.com || www.ccm-international.de

 
 
 

Neue Presse vom 12. November 2008

EINE OFFENBARUNG VOLLENDETEN QUARTETTSPIELS

VON RUDOLF POTYRA

New York ist groß und weit weg – was weiß „man“ da schon von einem „Daedalus Quartet“, dessen Name hier bislang unbekannt war? Die Gesellschaft der Musikfreunde Coburg sowie das Kulturbüro der Stadt Coburg mit seinem Förderprojekt „Podium junger Künstler“ hatten das Ensemble zu einem Konzert ins Kongresshaus eingeladen, dessen Programm zwar von den musikalischen Regenten des Jahres 2009 Joseph Haydn (gestorben 1809) und Felix Mendelssohn Bartholdy (geboren 1809) flankiert wurde, das aber in seinem Mittelteil mit Werken von Igor Strawinsky und David Horne Aggressionen auf die Ohren befürchten ließ. Das mag den einen oder anderen bewogen haben, dem Konzert fernzubleiben, was nicht zu übersehen war.

Das war ein Fehler, denn das Konzert wurde zu einer Offenbarung vollendeten Quartettspiels. Spielerisch makelloser und gestalterisch überzeugender und einfühlsamer kann man die einzelnen Werke kaum interpretieren.

Im Jahr 2000 fanden sich das Geschwisterpaar Min-Young Kim und Kyu-Young Kim (Violinen, an deren 1. Pult sie sich gegenseitig ablösten), Jessica Thompson (Viola) und Raman Ramakrishnan (Violoncello) zu dem Ensemble zusammen, das bereits ein Jahr nach der Gründung einen 1. Preis gewann. Heute zählt es zu den besten jungen Streichquartetten Amerikas und beginnt, auch in europäischen Konzertsälen Fuß zu fassen (London, Amsterdam, Köln, Salzburg, Wien und – nicht zuletzt – Coburg).

Mit einer zauberhaften Wiedergabe des letzten vollendeten Streichquartetts F-Dur von Joseph Haydn (op. 77,2) eröffneten die vier Künstler die Vortragsfolge. Der Komponist war 67 Jahre alt, als er dieses Werk schrieb und „Hin ist alle meine Kraft“ auf seiner Visitenkarte stand. Davon ist aber in diesem Werk nichts zu spüren: Packend in seiner gezügelten Bewegtheit erklingen der Kopfsatz und spritzig das als Menuett getarnte Scherzo im Beethoven-Stil, ehe der langsame Variationssatz als Höhepunkt des ganzen Werkes feinsinnig ausgeschöpft wird und ein Rausschmeißer-Finale das Quartett beschließt.

Wer hätte gedacht, dass die „3 Stücke für Streichquartett“ von Igor Strawinsky so angenehm ins Ohr gehen könnten? Es sind superkurze Stücke, Klangepisoden bzw. –experimente, die rasch beginnen und ruhig enden. Ihren Charakter legt der Komponist mit Metronomzahlen fest. Verbindlichen Passagen stehen brutale Ausbrüche gegenüber, ehe das Werkchen mit nahezu jenseitigen Akkorden ausklingt.

David Hornes „Flight from the Labyrinth“ („Flucht aus dem Labyrinth“) hat das Daedalus Quartet uraufgeführt. Der 1970 geborene Komponist ist heute Kompositionslehrer in Manchester und schrieb das Werk 2004 für das New Yorker Ensemble. Er nahm dessen Namen als programmatische Anregung für seine Komposition, nämlich die Flucht des Daedalus und seines Sohnes Ikarus aus dem Labyrinth auf Kreta; ein Werk, das unter anderem mit ungewohnten Spieltechniken an Spieler und Instrumente (neben streichen auch reißen und schlagen) gewaltige Anforderungen stellt. Es war ein hartes Stück Arbeit, was die vier Künstler zu leisten hatten und das die Hörer in die „azurne Einsamkeit“ (Nietzsche) und das Glück der Sonnennähe führte, aber auch die Gefahren ahnen ließ, denen Ikarus schließlich erlag. Die riesige Ausdehnung des kretischen Labyrinths fand ihre Entsprechung in den Dimensionen des Werkes, das in vielen Wiederholungen den Irrwegen der Anlage folgte. Die bewundernswerte Wiedergabe des anspruchsvollen und anstrengenden Werkes fand im Beifall der Besucher eine angemessene Würdigung.

18 Jahre zählte Felix Mendelssohn-Bartholdy, als er sein Streichquarett in a-Moll, op.13, sein meistaufgeführtes Kammermusikwerk schrieb. Wie ein roter Faden zieht sich ein Liedzitat – „Ist es wahr“ – durch alle Sätze des Werkes.

Mit wenigen feierlichen Akkorden gibt es den Start frei für das dramatische, beinahe opernhafte Geschehen des Kopfsatzes. Ihm folgt ein herrlich „singender“ langsamer, geradezu weihevoller Satz, in dem Mendelssohn seine kontrapunktischen Künste ausspielt. Zärtlich stimmt die 1. Violine im folgenden Intermezzo ein zierliches Ständchen an, ehe es mit einem förmlichen Donnerschlag in das Schlusspresto mündet, das dann in bezwingender Weise das Werk ausklingen lässt.

Die Besucher feierten am Ende mit begeistertem Beifall die vier Künstler und deren einzigartige Leistungen. Diese bedankten sich ihrerseits mit zwei Zugaben: einem zauberhaften Satz von Joseph Haydn und einem virtuos angereicherten Ragtime. Man sollte dieses Ensemble recht bald wieder verpflichten, solange es noch bezahlbar ist.

 
 
 

Coburger Tageblatt vom 12. November 2008

PRÄZISION, VIRTUOSITÄT UND PACKENDE AUSDRUCKSKRAFT
Das „Daedalus Quartet“ aus New York gab am Montag sein beeindruckendes Coburg-Debüt bei der „Gesellschaft der Musikfreunde“. Auf dem Programm standen Werke von Joseph Haydn bis David Horne.


VON JOCHEN BERGER

Technische Brillanz, Präzision des Zusammenspiels, analytische Tiefenschärfe der Interpretationen – so ließe sich das Spiel des aus New York stammenden „Daedalus Quartets“ beschreiben, das am Montag im Kongresshaus sein gefeiertes Coburg-Debüt bei der „Gesellschaft der Musikfreunde“ gab. Eine solche Charakterisierung könnte durchaus auf ein typisch amerikanisches Ensemble schließen lassen und griffe damit doch deutlich zu kurz. Denn typisch für dieses noch junge, freilich schon bemerkenswert erfolgreiche Quartett ist seine überaus wache stilistische Neugier, sein gestalterischer Ernst und seine Fähigkeit, Präzision, Virtuosität und Expressivität zu verbinden.Vor allem aber ist das Musizieren dieses Ensembles fernab jeder bloßen Routine. Vom ersten Ton an spielt das „Daedalus Quartet“ hellwach und frappierend reaktionsschnell, kontrolliert und doch sehr lebendig im Ausdruck.

Joseph Haydns spätes F-Dur- Quartett op. 77, 2 gelingt dem „Daedalus Quartet“ auf diese Weise beeindruckend intensiv. Detailgenauigkeit und das Gespür für lebendig hörbar gemachte Formzusammenhänge verbinden sich in dieser Deutung sehr eindringlich. Immer wieder gelingt es diesem Quartett, den inneren kompositorischen Reichtum von Haydns Werk, seine subtilen Feinheiten und überraschenden Nuancen zu entfalten.

Das „Daedalus-Quartet“, das den regelmäßigen Wechsel am ersten Geigenpult von Werk zu Werk zum Prinzip gemacht hat, frappiert durch seine klangliche Ausgewogenheit in allen dynamischen Bereichen, die zudem verbunden ist mit einer stets gewahrten Transparenz der Stimmführung.

Diese Qualitäten der New Yorker Gäste bewähren sich dann auch bei Igor Strawinskys „Drei Stücken für Streichquartett“ aus dem Jahr 1914, die in ihrer kompositorischen Dichte und ihrem fast aphoristischen Gestus mit geradezu scharfer Präzision, zugleich aber auch mit packender Intensität derGestaltung dargeboten werden.

Mit „Flight form the Labyrinth“ schließt sich ein programmatisch gefärbtes Werk des 970 geborenen schottischen Komponisten David Horne an, das 2004 eigens für das „Daedalus Quartet entstand. Scharf akzentuierte flirrende Klangflächen, schroffe Kontraste in Dynamik und Bewegungsgestus und kurzen lyrische Interludien verbinden sich in diesem wirkungsvoll angelegten Quartett, das vom „Daedalus Quartet“ mit rückhaltlosem Einsatz und energischer Virtuosität musiziert wird.

Nach der Pause beeindruckt das Ensemble dann mit einer überaus packenden Wiedergabe des 1827 entstanden a-Moll- Quartetts von Felix Mendelssohn- Bartholdy.Vibrierende Intensität desAusdrucks verbindet sich hiermit frappierender technischer Souveränität.

Das begeisterte Publikum erklatscht sichmit ausdauernd begeistertem Beifall schließlich noch zwei Zugaben: den virtuosen Finalsatz aus Haydns Quartett op. 20,2 (eine Fuge über drei Themen) und einen Ragtime von Wynton Marsalis.