Romantischer Klavierabend – Klaus Sticken (2008)

Freitag, 26. September 2008

 

Saisoneröffnung:
Romantischer Klavierabend

Klaus Sticken, Klavier

Alexander Skrjabin

Sonate-Fantaise gis-Moll op. 19

 

Robert Schumann

Kreisleriana op. 16

 

Franz Schubert

Sonate c-moll D 958

 
 
 

Klaus Sticken leitet neben seiner Konzerttätigkeit eine Klavierklasse an der Hochschule für Musik „Hanns Eisler“ in Berlin. Sticken arbeitet mit experimentierfreudigen Partnern wie dem Kuss Quartett oder dem Autor und Pianisten Cord Garben zusammen und erprobt neue Konzepte der Text-Musik- Präsentation. Seine kreative Auseinandersetzung mit Klaviermusik spiegelt sich in thematisch aufgebauten Programmen wider, wenn er schreibt: „Besonders gefällt mir daran, dass das Programm (siehe oben) chronologisch rückwärts aufgebaut ist, sodass jedes nachfolgende Werk quasi „aus der Zukunft“ beleuchtet wird. Skrjabin ist sicher eine ungewöhnliche Eröffnung, aber sehr charakteristisch, und Sie haben ja offenbar ein erfahrenes Publikum. Das Verrückte, Exaltierte, Extreme findet sich bei allen drei Werken wieder. Auch die Balance zwischen kleingliedrigen und flächigen Stücken stimmt.“

Mehr unter www.klaus-sticken.de

 
 
 

Neue Presse vom 29. September 2008

SCHÖPFERISCHER ÜBERSCHWANG UND SINNENDE REFLEXION
Klaus Sticken eröffnete die Konzertreihe


VON RUDOLF POTYRA

Am Freitag konnte Josef Schachek die Saison 2008/09 der Coburger Gesellschaft der Musikfreunde im Kongresshaus eröffnen. Seinen Begrüßungsworten war zu entnehmen, dass es gar nicht einfach war, dieses erste Konzert unter Dach und Fach zu bringen.

Als Gast hatte man den Pianisten Klaus Sticken gewinnen können, der seit mehr als zehn Jahren einen guten Namen auf den internationalen Konzertpodien hat und weltweit mit bedeutenden Orchestern zusammenarbeitet. Außerdem leitet er eine Klavierklasse an der Musikhochschule „Hanns Eisler“ in Berlin. Nach dem hervorragenden Eindruck, den sein Coburger Debüt mit Werken von Alexander Skrjabin, Robert Schumann und Franz Schubert hinterließ, darf man überzeugt sein, dass es nicht bei diesem einzigen Konzert mit Klaus Sticken bleiben wird.

Der Künstler eröffnete seine Vortragsfolge mit der „Sonate-Fantasie“ gis-Moll op.19 von Alexander Skrjabin. Sie ist die zweite in der Reihe der zehn Klaviersonaten, die der 1871 in Moskau geborene Komponist hinterlassen hat. Das zweisätzige Werk entstand in den Jahren 1892-97. Es steht am Anfang einer weit gespannten Entwicklung, die den Komponisten von der Chopin-Nachfolge bis zur Atonalität, von Melancholie bis zu mystischer Ekstase führte. Ihm schwebte ein „Gesamtkunstwerk“ vor, das neben Musik und Dichtung auch Farben und Düfte (!) einschloss. Die einen sahen in ihm einen „richtungweisenden Wegbereiter der modernen Musik“, die anderen einen überdrehten Menschen, „dessen Verfall man nur mit Schrecken verfolgen kann“. Von all diesen Visionen, die den Komponisten beherrschten, ist in der Sonate Nr. 2 jedoch kaum etwas zu spüren. Ein ruhiges Wogen und Weben, in dem wohl ein längerer Aufenthalt am Meer seinen Niederschlag gefunden hat, bestimmt den Charakter des 1. Satzes („Andante“), an den sich ein Perpetuum-mobile-artiges Presto anschließt, das mit seinen dynamischen Steigerungen und leidenschaftlichen Ausbrüchen die ganze virtuose Kraft des Pianisten herausfordert; ein Werk, das nicht „weh“ tut, aber dessen klangliche Fülle ohne Einschränkung genossen werden kann.

Zu diesen klanglichen Entladungen Skrjabins bildeten die „Kreisleriana. Fantasien für das Pianoforte von Robert Schumann Op.16. Seinem Freunde F. Chopin zugeeignet“ mit ihrem kontrapunktisch ausziseliertem, eher durchsichtig als fülligem Satz einen deutlichen Kontrast.

Angeregt zu diesem Werk wurde Schumann 1838 durch die „fragmentarische Biographie des Kapellmeisters Johann Kreislers“, einer fiktiven Figur, die der für die Romantik beinahe repräsentative Dichet E.T.A. Hoffmann erfunden und mit den „Lebensansichten des Katers Murr“ verschränkt hat.

Schumann versuchte nicht etwa, Situationen aus dem Leben des skurrilen Kapellmeisters nachzuzeichnen; es sind die eigenen Stimmungen und Erlebnisse, das Auf und Ab von schöpferischem Überschwang und sinnender Reflexion, die die Musik prägen.

Es sind acht Fantasien – drei langsame und fünf schnelle, die ebenso lyrische wie groteske Stimmungen beschwören, ehe das Werk im kaum mehr vernehmbaren Pianissimo verlischt. Konnte dieses Werk durch seine Ausdrucks- und Gestaltungsvielfalt voll überzeugen, so bildete die Sonate c-Moll D 958 von Franz Schubert in seiner Geschlossenheit der Interpretation den begeisternden Abschluss. Zusammen mit ihren beiden Schwesterwerken in A-Dur und B-Dur schrieb Schubert diese Sonate im September 1828, also wenige Wochen vor seinem Tod.

Die Sonate erinnert deutlich daran, wie sehr Schubert Beethoven verehrt hat. Die Anfangstakte des Kopfsatzes mit ihrer zupackenden Kraft könnten von Beethoven stammen; aber was dann kommt, ist ganz Schubert; ebenso wie das Adagio, das ganz den „Sänger“ und Erfinder unvergänglicher Lieder verrät.

Auf ein schlichtes, etwas farbloses Menuett folgt ein rasantes, extrem langes Finale, das die Sonate wie in einem wirbelnden Rausch ausklingen lässt. Begeisterter Beifall dankte dem Künstler für eine wahrhaft vollendet Interpretation, die virtuoses Temperament mit klassischer Ausgewogenheit verband. Mit einer Chopin-Zugabe revanchierte sich Klaus Sticken für den Beifall.

 
 
 

Coburger Tageblatt vom 29. September 2008

STILLE VIRTUOSITÄT, PURE POESIE
Zum Saisonauftakt gastierte der Pianist Klaus Sticken am Freitag bei der Coburger „Gesellschaft der Musikfreunde“. Auf dem Programm im Kongresshaus standen Werke von Alexander Skrjabin, Robert Schumann und Franz Schubert.


VON JOCHEN BERGER

Skrjabin, Schumann und Schubert – an diesem Komponistendreiklang könnten auch große Pianistennamen spektakulär scheitern. Wie sich dieser Dreiklang jedoch spannungsvoll, dabei wohl ausbalanciert anschlagen lässt, demonstrierte Klaus Sticken am Freitag zum Saisonauftakt bei der Coburger „Gesellschaft der Musikfreunde“. Außergewöhnlich schon die Abfolge dieses Programms, die sich der schlichten Chronologie von derRomantik bis zurWende zum 20. Jahrhundert ganz bewusst verweigerte.

Vielmehr nahmSticken Skrjabins Sonate-Fantaisie op. 19 als Ausgangspunkt für eine interpretatorische Entdeckungsreise über Schumann zurück bis Schubert. Schon bei Skrjabins op. 19 wurde auf scheinbar ganz selbstverständliche Weise hörund erlebbar, dass Sticken ein Pianist ist, bei dem sich unangestrengte Virtuosität und ausgeprägtes Stilgefühl mit sensibler Gestaltungskraft verbinden. Sticken, das wurde bereits im Kopfsatz dieses zweiteiligen Werkes deutlich, ist kein Pianist, der mit vordergründiger Brillanz blenden will. Seine Virtuosität wirkt im Gegenteil oftmals beinahe beiläufig, ergibt sich gleichsam wie von selbst aus den einfühlsam erfassten Besonderheiten und Anforderungen des jeweiligen Werkes. Im Falle von Skrjabins Sonate-Fantaisie meinte dies die Ambivalenz zwischen scheinbar improvisatorischer Freiheit und formaler Logik, die sich schon im Namen ankündigt. Sticken interpretierte Skrjabins 2. Sonate lebendig atmend, dabei klar konturiert in der Linienführung und feinsinnig abgestuft in der Farbgebung. Dass seine Deutung von Schumanns „Kreisleriana“ sehr spannungsvoll geraten würde, war nach diesem Auftakt schon zu ahnen. Dass er sich freilich dann als ein Schumann-Stilist von fast beängstigend intensiver Ausdruckskraft erweisenwürde, war nicht zwangsläufig vorhersehbar. Schumanns acht Fantasien op. 16 entfalteten in Stickens Deutung jedenfalls einen faszinierend differenzierten Reichtum an Ausdruckswerten. Schumanns ganz spezielle Polyphonie der ineinander verschränkten, oft auch gegeneinander verschobenen Ausdrucksebenen entfaltete Sticken auf suggestive Weise. Seine stets souveräne Technik erlaubte ihm eine Deutung, die in den Linien stets klar blieb und bei der unerschrockene Virtuosität immer wieder sich in pure Poesie des Klangs verwandelte.

Auf Schumanns mitreißende Exaltationen folgte dann nach der Pausemit der c-Moll-Sonate aus SchubertsTodesjahr 1828 eines der eindringlichsten Beispiele für die Kunst dieses Komponisten, gleichsam im Wimpernschlag harmonischer Nuancen existenzielle Abgründe hörbar werden zu lassen.

Klaus Sticken gelang hier eine Deutung, die stets gesangliche Tongebung und lebendig atmende Phrasierungskunst zur Basis einer sorgsamen Wiedergabe werden ließ.Das Publikum im Kongresshaus zeigte sich mit Recht beeindruckt von Stickens eindringlichem Coburg-Debüt und erklatschte sich schließlich noch eine Chopin-Zugabe.