Meisterquartett aus Prag – Pražák Quartett (2008)

Montag, 07. Januar 2008

20:00 Uhr
im Kongresshaus Rosengarten

Meisterquartett aus Prag

Pražák Quartett

Vaclav Remes, Violine
Vlastimil Holek, Violine
Josef Kluson, Viola
Michal Kanka, Violoncello

 

Antonin Dvorák

Terzetto C-Dur op. 74

 

Leos Janácek

Streichquartett Nr. 1 „Die Kreutzersonate“ (1923)

 

Franz Schubert

Streichquartett Nr. 16 G-Dur D 887 (op. posth. 161)

 
 
 

…“nach steiler Karriere wurde nun ein Grad an Tiefe und Souveränität erreicht, der erstaunt.“ (Süddeutsche Zeitung) Es ist nun schon mehr als 8 Jahre her, dass das famose Prazák Quartett hier in Coburg zu hören war – zuletzt in einer Quintettformation mit Ewa Kupiec. Nach seiner Gründung, die bereits mehr als 35 Jahre zurück liegt, gewann das Ensemble viele wichtige Wettbewerbe, unter anderem auch den von Evian. Inzwischen spielen die vier Herren sozusagen in der Liga der besten Streichquartette weltweit. Unserer langen Verbindung mit ihnen, die bis in die Achtziger Jahre zurück reicht, ist es zu verdanken, dass sie trotz ihrer Weltkarriere bei uns wieder Station machen. Während eines Monats spielten sie unlängst zum Beispiel in Oxford, Avignon, Bordeaux, Porto.

Wer sich noch intensiver informieren will, der schaue im Internet nach unter www.prazakquartet.com oder www.impresariat-simmenauer.de

 
 
 

Neue Presse vom 9. Januar 2008

KAMMERMUSIK DER WELTKLASSE
Prazák Quartett bewies wieder allerhöchstes Niveau


VON RUDOLF POTYRA

Es war wieder ein Konzert allererster Güte, das die Coburger Gesellschaft der Musikfreunde am Montag ihren Mitgliedern im Kongresshaus Rosengarten präsentierte. Mit welchen Prädikaten soll man solch einen einzigartigen Kammermusikabend, wie ihn das Prazák Quartett bot, kennzeichnen ohne abgeschmackt oder übertrieben zu wirken?

Was Vaclav Remes ubd Vlastimil Holek (Violinen), Josef Kluson (Viola) und Michal Kanka (Violoncello) an subtilster Spielkultur und Transparenz der Stimmen, an technisch vollendetem Spiel eines jeden und des ganzen Ensembles, an sinnvoller interpretatorischer und agogischer Gestaltung boten, hatte allerhöchstes Niveau. Die Gesellschaft der Musikfreunde darf sich zu Gute halten, dass sie schon seit Jahrzehenten Verbindung zu diesem Ausnahme-Ensemble hält und es schon relativ früh zu einem Konzert in Coburg verpflichtete. Das zahlt sich jetzt aus.

Drei der vier Künstler eröffneten den Abend mit einem von der Besetzung her ungewöhnlichem Werk: dem Terzetto C-Dur op.74 von Antonin Dvorák für zwei Violinen und Viola; gewissermaßen ein Streichquartett, dem das Cello amputiert wurde. Wegen dieser skurril anmutenden Besetzung hat es Dvorák wohl auch nicht Trio, sondern Terzetto genannt, ein der Vokalmusik entliehener Begriff. Elementare Spielfreude

Dvorák schrieb dieses liebenswürdige Werk, das nicht nur wegen seiner ungewöhnlichen Besetzung und seiner elementaren Spielfreude, sondern auch um seiner reizvollen Entstehungsgeschichte willen öfter auf den Konzertprogrammen erscheinen sollte.

Dvorák schrieb es 1887 im Lauf von 7 Tagen. Es war für Liebhaber-Musizierer gedacht. Dabei konnte Dvorák die Grenzen zwischen Liebhabern und Profis nicht immer genau einhalten, sodass es für eine Aufführung schon arrivierter Liebhaber bedarf. Die aber werden ihre helle Freude haben! Ein sanft wiegendes Thema slawisch-melancholischer Machart eröffnet den Kopfsatz, in dem es gelegentlich etwas stürmisch zugeht. Das gilt streckenweise auch für das folgende Larghetto, das von einem wunderschön singendem Thema dominiert wird.

Als slawischer Tanz beginnt das Scherzo, das in ein walzerartiges Trio mündet. Das Finale, fast feierlich rezitativisch beginnend, wartet mit einer ganzen Reihe kurzer, meist rhythmisch bestimmter Themen auf. Nicht ganz leicht erschloss sich das Streichquartett Nr.1 Die Kreutzersonate von Leos Janácek. Der Komponist schrieb das Werk 1923 auf Anregung des weltberühmten Böhmischen Streichquartetts. Inspirieren ließ er sich jedoch durch Tolstois Novelle Kreutzersonate.

Janácek bog dabei die Tendenz der Tolstoi-Novelle um. Er wirft sich nicht zum Moralisten auf, der den Ehebruch verurteilt, sondern stellt sich leidenschaftlich auf die Seite der gequälten Frau. Die zahllosen, über das ganze Werk verstreuten emotionalen Ausbrüche der Musik belegen dies überdeutlich. Zwar haben Musikforscher versucht, die Musik zu dechiffrieren und einzelne Abschnitte der Novelle entsprechenden musikalischen Passagen zuzuordnen. Der Komponist hat sich dazu aber nicht geäußert. Für ihn blieben offenbar Novelle und Streichquarett eigene, in sich geschlossene Komplexe. Symphonisches Gepräge

Ein relativ früher Kommentator schrieb 1928 über das 1924 uraufgeführte Werk: Die rhythmischen und Intonationsschwierigkeiten dieses vom klassischen Stil ganz abweichende Werk sind sehr groß. . . Nur erstklassige Quartettvereinigungen können sich daher an dieses Werk wagen. Es birgt aber große melodische und klangliche oft ganz eigenartige Reize. (W. Altmann)

Dieses Quartett ist das schwierigste, das Schubert geschrieben hat und auch das anstrengendste schrieb der gleiche Autor über das Streichquartett Nr. 15 G-Dur D 887 von Franz Schubert. Das 1826 im Laufe von 10 Tagen komponierte Quartett ist Schuberts letztes Werk für diese Gattung. Mit ihm klang das Konzert des Prazák Quartetts aus.

Der Kopfsatz hat geradezu symphonisches Gepräge. Mit zahlreichen Tremolo-Stellen, die sich vom Pianissimo bis zum Fortissimo aufbauen, erzielt Schubert orchestrale Wirkungen. Synkopen und punktierte Noten geben dem Satz ein eigenes rhythmisches Profil. Das Violoncello beherrscht mit einer zauberhaften Kantilene den 2. Satz. Spukhaft gibt sich zunächst das Scherzo, bis ein Wiener Ländler die Stimmung aufhellt und in himmlischer Länge das Werk mit einem rasanten Finale ausklingt.

Der Beifall war nach diesem grandiosen Konzert natürlich enthusiastisch. Die Künstler bedankten sich dafür mit einer der tiefsten und ergreifendsten Eingebungen Beethovens, dem 3. Satz aus dessen letzten Quartett op.135. Dieses in Demut und Schlichtheit zelebrierte Werk wäre der ideale Abschluss eines einzigartigen Konzertes gewesen. Die Künstler setzten jedoch mit dem Menuett aus Haydns Sonnen-Quartett überflüssiger Weise noch eins drauf.

 
 
 

Coburger Tageblatt vom 9. Januar 2008

ABGRÜNDIGE SCHÖNHEIT, FASZINIERENDE AUSDRUCKSKRAFT
Das Pražák-Quartett gestaltete am Montag einen begeisternden Abend bei den „Musikfreunden“. Auf dem Programm standen Werke von Dvorák, Janácek und Schubert.


VON JOCHEN BERGER

Muss man sich eine musikalische Sternstunde so vorstellen? Der Abend beginnt klangschön und verheißungsvoll, verdichtet sich dann zum packenden Drama in Tönen und steigert sich nach der Pause nochmals, obwohl eine Steigerung kaum noch möglich schien. So etwa jedenfalls ließe sich der Abend beschreiben, den das Pražák-Quartett am Montag bei der Coburger „Gesellschaft der Musikfreunde“ im Kongresshaus gestaltete.

Das Ensemble, das bereits mehrfach an gleicher Stelle gastierte (zuletzt vor acht Jahren gemeinsam mit der Pianistin Ewa Kupiec), gilt längst auch auf den internationalen Konzertpodien als eines der führenden Quartette der Gegenwart – ein Quartett, in dem sich die Kraft der Tradition und künstlerische Individualität auf faszinierende Weise verbinden.

Sensible Musikalität

Denn natürlich ist das Pražák-Quartett ein Quartett, das unverkennbar in der langen Tradition slawischer Ensembles steht. Die warm timbrierte, gesanglich weiche Tonschönheit ist natürlich bestes böhmisches Erbe – unüberhörbar selbst dann, wenn das Quartett zum Trio verkleinert wird, um Dvoráks selten gespieltes Terzetto C-Dur zu interpretieren.

Schon bei diesem viersätzigen Werk, das Dvorák einst in einer einzigen Januarwoche des Jahres 1887 schrieb, beeindruckte die klangliche Homogenität ebenso wie die sensible Musikalität des Vortrags. Wie sich hier die Violinen von Vaclav Remes und Vlastimil Holek mit dem erdigen Bratschenton von Josef Kluson immer wieder in strömender Gesanglichkeit verbanden, war gewiss mehr als nur ein Versprechen auf die beiden Hauptwerke des Abends.

Dennoch frappierte dann der Sprung zu Leos Janáceks 1. Streichquartett, das an diesem Abend eine Deutung von geradezu vibrierender Intensität erfuhr. Das autobiographisch grundierte Werk, das Tolstois Erzählung „Die Kreutzersonate“ als Vorlage nahm, war in einer Wiedergabe von exemplarischer Geschlossenheit zu erleben. Die expressiven Brüche, seine schroffen agogischen Schwankungen, seine permanenten rhythmischen Wechsel und die drastischen dynamischen Kontraste – sie waren in dieser Interpretation in äußerster Zuspitzung zu erleben. Dass dennoch nie der innere Zusammenhang verloren ging, machte den besonderen Rang dieser Aufführung aus.

Wie modern und zugleich zeitlos dieses Werk ist, war an diesem Abend auf packende Weise zu erleben. Und zugleich wurde hörbar, was das Pražák-Quartett so unverwechselbar macht. Denn natürlich ist dieses Quartett in bester slawischer Tradition stets dem gesanglichen Wohlklang verpflichtet. Homogenität und Intensität des Tons sind dem Pražák-Quartett fraglos wichtiger als ein vorrangig analytisch sezierender Zugriff.

Und dennoch wurde am Beispiel von Janáceks „Kreutzersonate“ auch hörbar, wohin diese scheinbar bedingungslose Huldigung an klangliche Schönheit auch führen kann – bis zu jenem Punkt nämlich, an dem hinter der Schönheit immer wieder auch das Erschrecken hörbar wird, wenn jubilierende Klangsinnlichkeit jäh umschlägt in bange Stille.

Expressive CelloakzenteUnd hörbar wurde gerade bei diesem Werk auch, wie sich – gleichsam in der Binnenstruktur des Pražák-Quartetts – immer wieder Spannung aufbaut: ausgehend von den höchst expressiven Celloakzenten Michal Kankas (der erst vor wenigen Wochen mit einem eindringlichen Duoabend an gleicher Stelle gastiert hatte) bis zur subtilen Phrasierungskunst von Primgeiger Vaclav Remes.

Harmonische AbgründeDass nach dieser Janácek-Deutung im zweiten Teil nochmals eine Intensivierung gelingen sollte, war eigentlich kaum zu erwarten. Bei Schuberts G-Dur-Quartett aber gelang dem Pražák-Quartett eine Interpretation von schier atemloser Expressivität. Mit subtilem Gespür für Schuberts harmonische Abgründe, die im Wimpernschlag einer harmonischen Verschiebung wolkenloses Glück in abgrundtiefes Leid verwandeln können, bot das Ensemble eine faszinierende Deutung.

In ihr verbanden sich exquisite Klangschönheit mit packender Ausdruckskraft – vom kontrastreichen Kopfsatz über das schier endlos singende „Andante un poco mosso“ und das kräftig akzentuierte Scherzo bis hin zum drängenden, mitreißenden Finale, das sich nach langem Anlauf durchkämpft zum Dur.

Was lässt sich nach einem solchen Werk überhaupt noch als Zugabe spielen? Die passende Antwort des Pražák-Quartetts: Beethoven – das „Lento assai“ aus dem letzten Quartett B-Dur op. 135. Nach ausdauernd begeistertem Beifall gab es schließlich sogar noch eine zweite Zugabe – ein Menuett aus Haydns sogenannten „Sonnenquartetten“.